LImburg. Trauer und Ohnmacht, Entsetzen und Fassungslosigkeit in Limburg. Die in ihrem Ablauf und ihrer Brutalität außergewöhnliche Bluttat hat die Stadt wieder bundesweit in die Schlagzeilen gebracht - und Erinnerungen an ein schreckliches Verbrechen an fast gleicher Stelle geweckt ...
Bild: Polizei und Feuerwehr waren mit einem großen Aufgebot am Tatort. Links die Weiersteinstraße, rechts die Schiede. Foto: Heidersdorf
VON JOACHIM HEIDERSDORF
Augenzeugen filmen Bluttat - Nachbarn beschreiben im Fernsehen das falsche Paar
Warum immer wieder Limburg? Jeden Tag passieren überall in der Welt schreckliche Verbrechen. Der Mord, der gestern die Menschen in der Region erschütterte und in ganz Deutschland Schlagzeilen machte, hätte auch woanders geschehen können. Der Täter kommt nicht aus der Stadt - und doch hämmert sich der Eindruck in den Kopf: Wieder Limburg.
Wieder in der Weiersteinstraße! Erst vor knapp drei Wochen, am 7. Oktober, hat ein paar Meter weiter ein 32-jähriger Syrer einen Lkw gekapert und auf seiner Amokfahrt einen fürchterlichen Unfall verursacht, bei dem wie durch ein Wunder neun Menschen "nur" verletzt wurden. Fast an der gleichen Stelle in der Weiersteinstraße ist am 10. Juli 1998 schon einmal eine Frau ermordet worden.
Die gestrige, in ihrem Ablauf und ihrer Brutalität außergewöhnliche Bluttat hat Limburg erneut ungewollte Publicity beschert. Fast alle Fernsehsender schickten Kamerateams in die Stadt. Die Profis bekamen nicht mehr viel zu sehen. Die Polizei hatte inzwischen eine breite Sichtschutzwand aufgestellt, die den Blick auf den Tatort versperrte. Zu diesem Zeitpunkt geisterten freilich bereits die Aufnahmen von Augenzeugen durch das weltweite Netz. Entsetzliche Bilder, die sprachlos machen. Ekelhaft und schockierend - für die Sensationsgier, aber von großer Bedeutung für die Strafverfolger.
Die Überwachungskamera am Haus der Kreishandwerkerschaft (KH) hat den kompletten Ablauf dokumentiert. Eine Mitarbeiterin der KH gehörte zu den zahlreichen Augenzeugen. Der Täter war mit seinem Audi über den Parkplatz der Kreishandwerkerschaft gerast, wo das schwere Metalltor zufällig offen war, und mit voller Wucht in das denkmalgeschützte Backsteingebäude gekracht. Der Motor landete im Keller des einsturzgefährdeten Hauses.
Die Polizei bittet darum, Videos an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! zu schicken.
Kurios: Nachbarn und Geschäftsleute aus der Umgebung schilderten im Fernsehen das angeblich seit drei Jahren in der Weiersteinstraße lebende Paar als höflich, immer freundlich und gut situiert. Die beschriebenen Eheleute sind glücklicherweise quicklebendig; Täter und Opfer hatten keinen Bezug zu Limburg.
Bild: Dieses Foto zeigt, mit welcher Wucht der Audi in die Hauswand gekracht ist. Der komplette Motorraum ist zertrümmert. Der Wagen hat das Opfer auf dem Gehweg erfasst und etwa 40 Meter weit mitgeschleift; zunächst über die Weiersteinstraße und dann über den Parkplatz der Kreishandwerkerschaft, auf dem das Tor zufällig offen war. Foto: Häring
Ehefrau in Limburg brutal getötet
Mann fährt 31-Jährige auf dem Gehweg um und zertrümmert ihr mit einer Axt den Kopf
Bild: Spurensicherer der Kriminalpolizei am Tatort auf dem Parkplatz der Kreishandwerkerschaft. Der Täter hat die Frau mit seinem Audi auf dem Gehweg in der Weiersteinstraße erfasst und etwa 30 Meter weit mitgeschleift, bis der Wagen mit voller Wucht in die Hauswand krachte. Foto: Häring
Wieder ein schreckliches Verbrechen in Limburg: Ein 34-Jähriger hat gestern Morgen seine von ihm getrennt lebende Ehefrau mit dem Auto umgefahren und wenig später mit einer Axt ihren Schädel zertrümmert. Ein Haftrichter erlässt am Abend Haftbefehl wegen Mordes und schickt den Mann in Untersuchungshaft
Hartgesottene Polizisten und Feuerwehrleute, die schon viel Schreckliches gesehen haben, müssen schlucken. Rettungskräfte sind schockiert. Die Menschen in der Region reagieren wenig später erschüttert und traurig. Diese Bluttat ist in ihrem Ablauf und ihrer Brutalität besonders grausam. Hinter einem demolierten Wagen, der eine Hauswand eingedrückt hat, liegt eine Frau mit zertrümmertem Schädel.
Was ist passiert?
Ein 34-Jähriger sucht um kurz nach Acht in der Weiersteinstraße, etwa 300 Meter vom Bahnhof, seine Ehefrau. Er sitzt in seinem schwarzen Audi. Um 8.25 Uhr entdeckt er sie auf dem Gehweg. Der Mann gibt Gas und fährt mit seinem Pkw voll auf die 31-Jährige drauf. Der Wagen schleift das Opfer noch rund 30 Meter mit: Über die Straße, dann über den Parkplatz der Kreishandwerkerschaft durch ein gerade zufällig offenes schweres Metalltor und kracht schließlich mit großer Wucht in ein denkmalgeschütztes Backsteingebäude.
Was danach geschieht, macht fassungslos: Der Täter steigt aus dem qualmenden Auto und holt - dem Anschein nach ruhig - eine Axt aus dem Kofferraum. Er packt das Werkzeug mit beiden Händen und schlägt fünf Mal mit voller Kraft auf den Kopf der Wehrlosen. Die unglaublichen, von Augenzeugen gefilmten Szenen sind Minuten später in sozialen Netzwerken zu sehen. Ob die Frau vor dem Angriff mit der Axt noch gelebt hat, muss die Obduktion klären.
Eine Streife der Polizei, wegen eines anderen Auftrags in der Nähe, ist rasch am Tatort. Die Beamten zücken ihre Waffen, der Mann lässt sich widerstandslos festnehmen.
Unterschlupf im Frauenhaus
Polizei und Feuerwehr rücken mit einem Großaufgebot an, sperren den Tatort weiträumig ab. Das Auto und die Leiche sind jedoch gut zu sehen. Spurensicherer der Kripo in weißen Overalls nehmen die Arbeit auf. Kollegen markieren Gegenstände, die das Opfer beim Aufprall verloren hat: Eine braune Handtasche mit abgerissenem Tragegurt und ein Handy auf dem Bürgersteig, ein Turnschuh mitten auf der Fahrbahn. Die Ermittler sprechen schnell von einer Beziehungstat.
Nachbarn und Geschäftsleute aus der Umgebung rätseln über das Motiv. Das Paar hat seit drei Jahren in der Weiersteinstraße gelebt, war immer freundlich und gut situiert, erzählen sie auch den Fernsehteams. Doch sie irren sich und beschreiben ein anderes Paar, das quicklebendig ist.
Tatsächlich haben die Eheleute, um die es in diesem Fall geht, nach Informationen dieser Zeitung seit längerer Zeit getrennt gelebt. Er in der früher gemeinsamen Wohnung bei Mendig in Rheinland-Pfalz, knapp 70 Kilometer von Limburg entfernt, sie mit den beiden Kindern im Limburger Frauenhaus. Der Mann mit tunesischen Vorfahren ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, die tunesische Frau war Lehrerin.
Kinder aus Kita geholt
Das Jugendamt holt die beiden Kinder, ein Mädchen und ein Junge im Alter von zwei und drei Jahren, aus dem Kindergarten und nimmt sie in Obhut. Limburgs Polizeichef Frank Göbel fordert Spezialisten an. Fest steht, dass der Audi mit hoher Geschwindigkeit in das Haus gekracht sein muss. Unklar ist, warum die Frau nach dem Aufprall nicht gegen die Frontscheibe oder über das Auto gefallen ist. Die Bilder der Überwachungskamera am Haus der Kreishandwerkerschaft werden den Unfallanalytikern die Ermittlungen erleichtern. Darauf ist die Fahrt vollständig zu sehen. Letztlich nebensächlich. Wichtiger ist der Fakt, dass auf dem sonst rege frequentierten Bürgersteig und Schulweg keine weiteren Menschen verletzt worden sind. Eine Frau soll leicht gestreift worden sein.
Der verletzte Täter wird medizinisch untersucht und abends dem Haftrichter in Limburg vorgeführt. Er schweigt auf Anraten seines Pflichtverteidigers zur Tat und zu seinem Motiv. Der Richter erlässt Haftbefehl wegen Mordes und ordnet Vollzug an. Dies bestätigt der stellvertretende Pressesprecher der Staatsanwaltschaft, Manuel Jung, dieser Zeitung.
Bild: Ein Turnschuh des Opfers liegt auf der Straße (markiert vor dem DEKRA-Mitarbeiter), neben dem Mülleimer (l.) die Handtasche und das Handy. Dieses Foto dokumentiert die Entfernung vom Aufprall bis zur Hauswand. Foto: Heidersdorf
In was für einer Welt leben wir eigentlich?
Da tötet ein Mann am Morgen auf offener Straße kaltblütig seine Ehefrau. Das ist entsetzlich; eine grausame und verstörende Tat. Man fragt sich: Was muss in einem Menschen vorgehen, der so etwas tut? Welche Abgründe müssen sich zwischen den beiden Partnern aufgetan haben, damit so etwas passieren kann?
Die Tat geschah mitten in Limburg zu einer Zeit, als viele Menschen auf dem Weg zur Arbeit waren. Und was taten diese Menschen? Riefen sie die Polizei? Nicht wenige zückten ihr Smartphone und filmten die Tat. Man fragt sich: Was muss in einem Menschen vorgehen, der mit dem Handy erstmal einfach draufhält, während wenige Meter vor ihm einer jungen Mutter der Schädel gespalten wird? Will er der Polizei wichtige Beweise liefern? Oder hofft er auf unzählige Online-Klicks?
Wenige Stunden später haben sich die Fotos und Videos bereits tausendfach verbreitet. Via WhatsApp tauchen sie in der Redaktion auf, aber auch in unzähligen privaten Nachrichtengruppen. Man fragt sich: Was muss in einem Menschen vorgehen, der so ein Video in einer Kindergarten-Eltern-Gruppe teilt? Oder unter den Fußball-Kumpels? Man fragt sich: In was für einer Welt leben wir eigentlich?
Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.
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