HADAMAR-NIEDERZEUZHEIM. Die Hoffnung auf eine rasche Rückkehr in ihre Wohnungen und Häuser hat sich für die Bürger aus dem Hadamarer Stadtteil Niederzeuzheim, die im Radius von 400 Metern um das Betriebsgelände der Firma Tyczka leben, zerschlagen ...

Nach dem Gasunfall in Niederzeuzheim müssen Anwohner weiter auf die Rückkehr in ihre Häuser warten

Von Anken Bohnhorst

In der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag habe man erneut eine erhöhte Propangaskonzentration gemessen, berichtete Kreisbrandinspektor Frederik Stahl am Donnerstagmorgen. Einige Stunden später meldete er, dass aus dem beschädigten Tank der Firma zwar kein Gas mehr entweiche, die Konzentration in der Kanalisation aber noch immer hoch sei. Die Explosionsgefahr bestehe fort.

Ob das Gas in der Nacht auf Donnerstag aus einem weiteren Tankleck des Gasabfüll-Unternehmens geströmt war, das bei den erfolglosen Reparaturversuchen entstanden sein könnte, oder ob sich das Flüssiggas in dem Eisblock gebunden habe, der sich an dem defekten Rohr gebildet hatte, könne derzeit nicht geklärt werden, sagt der Kreisbrandinspektor. Fest stehe, so Stahl, dass die Einsatzkräfte am Mittwochabend keine Gaskonzentration gemessen hatten. Daraufhin hatte er angekündigt, dass die Feuerwehr ab Donnerstagmorgen in jedem Haus Messungen durchführen und die Gebäude gegebenenfalls freigeben werde. Anschließend hätten die Anwohner der Sperrzone in ihre Häuser zurückkehren können. Das wird sich nun weiter verzögern.

Das Ausweichquartier in der Mehrzweckhalle von Oberzeuzheim bleibt somit weiter bestehen. Von den insgesamt mehr als 700 betroffenen Männern, Frauen und Kinder sind dort seit Montagabend 30 untergebracht und werden von zwei Katastrophenzügen des Landkreises versorgt. Die übrigen Bewohner der mehr als 400 abgeriegelten Häuser halten sich in Hotels oder in privaten Unterkünften auf. Den erneuten Gasaustritt habe man nicht erwartet, sagt Bürgermeister Michael Ruoff (CDU). Jetzt müsse man für die Notunterbringung „leider mit einer weiteren Nacht rechnen“. Wie schnell die Messungen abgewickelt werden können, lasse sich ebenso wenig abschätzen, wie die Dauer des Entlüftens der Gebäude, das zunächst die Einsatzkräfte und nach ihrer Rückkehr auch die Bewohner vornehmen müssen. Er habe Verständnis für die Anlieger, dennoch bestehe Explosionsgefahr. Daher gelte: „Sicherheit vor Schnelligkeit.“

Zwölf Messtrupps sind unterwegs

Zwölf Messtrupps seien im Einsatz, teilt Kreisbrandinspektor Stahl mit. Bereits am Donnerstagmorgen haben die betroffenen Hausbesitzer ihre Schlüssel den Einsatzkräften übergeben. Häuser, für die keine Schlüssel vorliegen, müssten für die bevorstehenden Messungen aufgebrochen werden. Man habe Unterstützung aus drei weiteren Landkreisen sowie Spezialisten aus Marburg, Dillenburg und Gießen angefordert. Trotzdem lasse sich „nicht genau definieren“, wie es zu dem Gasaustritt gekommen sei. Man erlebe hier eine „beispiellose Lage“, die sich dynamisch entwickle und auf die dynamisch reagiert werden müsse. Dies geschehe etwa bei der ständigen Überprüfung der Kanalisation, in der noch immer eine erhöhte Gaskonzentration gemessen werde. Mit Hochdruckgeräten werde Wasser in die Kanäle gespült, dessen Luftdruck das einströmende Gas verdünnen soll. Auch in der Kanalisation werden Stahl zufolge weiterhin punktuelle Messungen vorgenommen. Begleitet werden die Messtrupps von Einsatzkräften der Polizei, sagt Christian Wiepen, Sprecher der Polizeidirektion Westhessen. Hier gehe es unter anderem um die „Eigentumssicherung“.

Sobald sich die Gaskonzentration verflüchtigt habe und die Gefahren gebannt seien, werde die Kriminalpolizei ihre Ermittlungsarbeiten aufnehmen, die sich mit dem explodierten Haus befassen, bestätigt Wiepen. Zu dieser Explosion in unmittelbarer Nähe des Betriebsgeländes mit dem defekten Tank war es nach einer Verpuffung in der Nacht von Montag auf Dienstag gekommen. Das Firmengelände sowie das Sicherheitskonzept der Firma Tyczka werde das Regierungspräsidium (RP) Gießen untersuchen, stellte RP-Sprecher Oliver Kessler klar.

DAS LOB FÜR DIE EINSATZKRÄFTE IST GROß

„Wenn nach dieser Aktion nicht das ganze Dorf in die freiwillige Feuerwehr eintritt, dann weiß ich auch nicht weiter“, sagt eine Anwohnerin aus Niederzeuzheim, jenem Stadtteil, der sich seit vier Tagen im Ausnahmezustand befindet. Die Lage sei surreal, die Hilfe und Zuwendung der Einsatzkräfte aber unbeschreiblich positiv. Das könne man gar nicht oft genug betonen, so die Frau. Am Montagvormittag war hier bei Reparaturarbeiten ein Flüssiggastank beschädigt, Gas strömte ungehindert aus. Die Anwohner im Umkreis von 400 Meter zur Gefahrenquelle musste ihre Häuser verlassen. Ihre große Sorge habe ihren Katzen gegolten, berichtet die Frau weiter. Und auch hier hätten die Einsatzkräfte „großartig“ reagiert: In Begleitung von Feuerwehrleuten habe sie in ihr Haus zurückkehren und die Tiere holen dürfen. Überhaupt, sagt sie, die Menschlichkeit der Einsatzkräfte sei fabelhaft. Das bestätigt Joachim Sattler, ebenfalls aus Niederzeuzheim und ebenfalls ein Anwohner, der seit Montag nicht in sein Haus zurückkehren durfte. Auch er lobt die Arbeit der Rettungskräfte. Bei der Betreuung durch die Stadt äußert er sich dagegen zurückhaltender. Dieser Ausnahmezustand habe „besser moderiert“ werden müssen. Für aktuelle Informationen allein auf die Homepage der Stadt zu verweisen, halte er nicht für ausreichend. Ein bisschen mehr Empathie für die betroffenen Bürger habe er sich gewünscht, so Sattler, der seit Montag in einem Hotel in Hadamar wohnt.

Hinweis: Verwendung der Artikel mit freundlicher Genehmigung der Nassauischen Neuen Presse.

 

 


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