Berlin. Wenn öffentliche Feuerwehren im Einsatz mit Gefahrgut konfrontiert werden, sind sie gut beraten, … sich beraten zu lassen ...
Bild: DFV
„TUIS-Hilfeleistungen bei Gefahrgutunfällen“ mit Jochen Fries
In der aktuellen Ausgabe des Online-Fortbildungsangebotes „DFV direkt“ des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV) berichtete Brandoberingenieur Jochen Fries von Szenarien, die eine Zusammenarbeit mit „TUIS“, dem „Transport-, Unfall- und Informationssystem“, erfordern oder zumindest sinnvoll erscheinen lassen. Er selbst ist als langjähriger Einsatzleiter dieses Hilfeleistungssystems der chemischen Industrie in Deutschland bereits bei unzähligen Einsatzlagen unterstützend tätig gewesen.
Diese Erfahrungen teilte er mit den rund 710 Teilnehmern der Online-Fortbildung. Zu Beginn führte er kurz in die Stufen der TUIS-Leistung ein: telefonische Beratung als Einstieg, Fachberatung vor Ort durch Spezialisten der TUIS-Werkfeuerwehren (Stufe 2) sowie Entsendung von Mannschaft und spezieller Ausrüstung zur Hilfeleistung an die Einsatzstelle bei Stufe 3. Danach berichtete der Referent über die praktischen Abläufe eines jeden TUIS-Einsatzes. „Die Werkfeuerwehren des TUIS-Verbundes sind nicht einheitlich alarmierbar. Anders als beim öffentlichen Notruf gibt es mehrere Wege der Kontaktaufnahme: Im Internet ist unter dem Suchbegriff ,TUIS VCI‘ eine Information zu den verschiedenen TUIS-Leitstellen veröffentlicht, oft helfen aber auch die Beförderungspapiere des verunfallten Transports. Diese können als klassische Unterlagen vorliegen. Seit neuester Zeit ist auch die Möglichkeit von elektronischen Beförderungspapieren gegeben. Der Zugang zu diesem Portal der GBK in Ingelheim ist nach vorheriger Anmeldung für Leitstellen möglich“, gab Fries seine Hinweise. Er wusste auch zu berichten, dass manchmal die Beförderungsfahrzeuge Aufkleber mit wichtigen Rufnummern enthalten, die es anzurufen sich lohne.
Der Verband der Chemischen Industrie e. V. in Deutschland, abgekürzt VCI, unterhält mit TUIS ein Hilfeleistungssystem, dem etwa 130 Betriebe mit ihren Werkfeuerwehren angeschlossen sind. Rund ein Zehntel davon zählt zu den großen Einrichtungen, die stets auch für Stufe 3 in weiterem Umfeld um das Werk reaktionsfähig sind und ein ausreichendes Hilfeleistungspotenzial bereithalten. Daneben gibt es auch etliche kleinere Werkfeuerwehren, die nach Auskunft von Fries genauso wichtig sind: „Je nach Anfrage wird individuell untereinander geklärt, wer für den verunfallten Transport spezialisiert sein könnte, kurze Anfahrtswege besitzt und somit am besten geeignet leistungsfähig ist.“
Ohnehin bleibt der örtliche Einsatzleiter der öffentlichen Feuerwehr bei diesen Einsätzen zuständig, die jeweilige Erfahrung und Kenntnis der TUIS-Werkfeuerwehr zeichnet dann für den Einsatzabschnitt „Gefahrgutbergung“ im engeren Sinne verantwortlich.
Häufig erfordere die Einsatzlage auch die Mitwirkung der Spediteure und der Hersteller der Chemikalien, zeichnete der Sprecher ein möglichst praxisnahes Bild in seinem Referat. Mitunter sind Ersatztankfahrzeuge notwendig oder auch die fachliche Expertise der Versender zum Transportgut wird an Einsatzstellen benötigt. Die Beurteilung vor Ort durch verschiedene Experten führe dann zum Ziel. Mit dem durch tägliche Abläufe routinierten Be- und Entladen an Ladestellen sind die Speditionen vertraut, Feuerwehr-Führungskräfte wiederum kennen Situationen von verunfallten Fahrzeugen; gemeinsam können auf diese Weise Lösungen zur Gefahrenbeseitigung entwickelt werden.
Mit etlichen Einsatzbeispielen aus seinem Dienst bei der Werkfeuerwehr des Chemieparks Marl (Nordrhein-Westfalen) und der Benennung von Gefahren, Problemen, aber auch Lösungsansätzen rundete Fries seinen einstündigen Vortrag ab. Unerfahrenheit mit den dargelegten Einsatzlagen selbst bei gut aufgestellten Feuerwehren könne zu teils gefährlichen Situationen führen, wie er eindrucksvoll berichtete. Manchmal reichten nur wenige unbedachte Handlungen aus, um mit kleiner Ursache am Ende doch noch großen Schaden anzurichten.
Exemplarisch legte er auch dar, dass ein Gerätewagen-Gefahrgut, wie er flächendeckend zur Verfügung steht und einen genormten Beladungsumfang enthält, durchaus seine Berechtigung hat, aber auch Grenzen aufweist. Ein Ersteinsatz der öffentlichen Feuerwehren ist mit diesem Sonderfahrzeug nach seiner Einschätzung sehr gut möglich, allerdings sollten bei schwerwiegenden Unfällen auch die ergänzenden Ausstattungen der TUIS-Werkfeuerwehren zum Einsatz kommen. Jene erhielten gerade in diesen Situationen ihre Berechtigung, da der regelmäßige Umgang mit den Gefahrstoffen sowie dem Hilfeleistungsmaterial ein Alleinstellungsmerkmal sei. Die Einsatzleiter sollten den Kontakt folglich nicht scheuen. Der Experte ergänzte: „Die Einheiten für die Abwehr von Gefahrstoffen im öffentlichen Raum sind dadurch auch überhaupt nicht überflüssig. Denn nicht selten benötigen wir die unterstützende Leistung zur Dekontamination, Ausleuchtung, zum Messen oder beim Brandschutz.“ Die begrenzte Zahl von eingesetzten Werkfeuerwehrangehörigen kann demnach die örtlichen Kräfte nicht ersetzen, sondern lediglich durch Fachkompetenz und Geübtheit ergänzen. Wer also als Zuhörer Konkurrenz befürchtete, wurde bei dieser Ausgabe der Fortbildungsreihe gegenläufig aufgeklärt.
Weitere Informationen zu TUIS gibt es in einem Flyer unter https://www.vci.de/services/publikationen/broschueren-faltblaetter/tuis-die-hotline-zum-know-how.jsp.
In der nächsten Ausgabe der „DFV direkt“ wird Jörg Häusler, Landesbeauftragter Katastrophenschutz bei der Bergwacht Bayern sowie Fachbereich Einsatzleitung Katastrophenschutz im Zentrum für Sicherheit und Ausbildung, am Montag, 18. November, anhand von Beispielen nicht alltäglicher Einsatzlagen die Bergwacht Bayern mit ihrem weitreichenden Einsatzspektrum von der Bergrettung bis hin zum Katastrophenschutz vorstellen. Information und Anmeldung: https://www.feuerwehrverband.de/veranstaltungen/dfv-direkt/
Quelle: Deutscher Feuerwehrverband e. V. (DFV)