Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei. Limburg-Weilburg. 22 Notfallseelsorger gibt es im Kreis Limburg-Weilburg. Ihre Arbeit ist unverzichtbar und alles andere als einfach ...

Martin Werner ist mit Leib und Seele Notfallseelsorger.
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Martin Werner ist mit Leib und Seele Notfallseelsorger.

Hilfe in schwierigen Situationen

Von HANNA WERNER

Noch während die Autotüren knallen, reckt der Notfallseelsorger Martin Werner schon den Kopf. „Wo ist denn der Einsatzleiter?“ Die Kombination aus einem halben Dutzend Blaulichtern, der hereinbrechenden Dunkelheit und dem Gewusel der Rettungskräfte macht es schwierig, überhaupt etwas zu erkennen. Seine Kollegin Iris hat sich schon in Bewegung gesetzt und schlängelt sich bis zu einem Feuerwehrauto durch, vor dem der Einsatzleiter steht. Er steht an der zertrümmerten Leitplanke und unterscheidet sich nur durch die signalfarbene Weste über seiner Jacke von den anderen Einsatzkräften.

Jetzt zählt nur noch helfen

„Gut, dass die Notfallseelsorge da ist! Kümmert Euch bitte zuerst um die beiden Männer dahinten, dann das Ehepaar und dann noch die Familie“, begrüßt er sie schnell und gibt ihnen somit einen kurzen Überblick. Beide nicken und eilen im Laufschritt direkt weiter zu den Menschen, die gerade Zeuge bei einem Unfall auf der A 3 waren. In diesem Moment ist alle Aufregung und Beklemmung vergessen – jetzt zählt nur noch helfen.

Schwere Autounfälle wie dieser sind allerdings eher die Ausnahme für die Notfallseelsorge Limburg-Weilburg. Typische Einsatzgebiete sind häusliche Todesfälle, erfolglose Reanimationen oder Suizide. Außerdem werden sie für die Überbringung von Todesnachrichten alarmiert. So unterschiedlich diese Einsätze auch sind, ein gewisser Ablauf ist immer gleich. Die Alarmierung erfolgt über einen Funkmelder, der nach einem lauten Piepen einen Funkspruch der Leitstelle in Limburg von sich gibt. Kurz darauf folgt eine SMS mit Einsatzdetails, wie ein Einsatzstichwort, der Ort, die Straße sowie kurze Fakten. Sofort sprechen sich die Seelsorger nun mit dem anderen diensthabenden Kollegen telefonisch ab, da die Einsätze über den gesamten Landkreis verteilt sind und dadurch die Anfahrtszeiten sehr unterschiedlich sein können.

Im Gegensatz zu Feuerwehr und anderen Rettungsdiensten fahren die Notfallseelsorger jedoch nicht mit Sonderrechten zum Einsatzort, da für sie nicht die gesetzlichen Hilfsfristen gelten. Während der Autofahrt zum Einsatzort bereitet sich Martin Werner schon gedanklich auf die nächsten Stunden vor, während der Dachaufsetzer für Durchkommen bei Absperrungen sorgt. Dann beginnt der eigentliche Einsatz. An erster Stelle steht immer die Anmeldung beim Einsatzleiter, der oft schon einen ersten Überblick geben kann. Das erleichtert die Entscheidung, welche Person denn nun zuerst betreut werden muss. Auch hier gibt es keine festen Regeln, keine Checkliste und erst recht keinen Masterplan. Nur eine Sache ist bei allen immer gleich. „Das Schlimmste ist, wenn wir Menschen nicht zum Reden bekommen. Denn wenn sie reden, hat das Gehirn bereits den Verarbeitungsprozess der Trauer begonnen“, sagt Martin Werner. Das nächste Ziel ist es, ein soziales Netz aufzubauen, also Leute zu holen, die die zu betreuende Person gut kennen und ihr helfen können. Das sind oft Verwandte oder Nachbarn, bei Jugendlichen meistens beste Freunde oder andere Bezugspersonen. Eine weitere, sehr wichtige Aufgabe besteht darin, über den organisatorischen Ablauf zu informieren, was besonders bei ungeklärten Todesfällen wichtig ist, da dann das Erscheinen von Polizei und Kriminalpolizei nötig ist. Einsätze dauern üblicherweise zwei bis drei Stunden, allerdings kommt man manchmal auch auf bis zu 50 Stunden. Sie enden mit der Versorgung aller Personen und dem Abmelden beim Einsatzleiter.

Zurück zum aktuellen Einsatz: „Haben Sie schon Ihre Familie informiert?“, fragt der Notfallseelsorger. Der Kölner Autofahrer blickt ihn missfällig an. „Warum sollte ich? War doch nicht mal am Unfall beteiligt!“ – „Gut, dass Sie das so locker nehmen. Aber trotzdem, Sie waren direkt hinter den drei Unfallwagen. Wenn Sie darüber sprechen möchten, wird das jeder verstehen.“ Die selbstbewusste Haltung des 40-Jährigen fällt ein Stück in sich zusammen. Verkrampft zupft er am Ärmel seiner Anzugsjacke. „Wollen wir erstmal hier vom Unfallort weg?“, versucht der Seelsorger, ihn zu beruhigen. Auf ein stummes Nicken hin steigen die beiden Männer über Autoteile, Kabel und verteiltes Gepäck aus den Unfallwagen. Nachdem die drei Rettungshubschrauber den Unfallort verlassen haben, ertönt plötzlich ein ohrenbetäubender Lärm, dem kurz darauf ein grelles Licht folgt. Ein weiterer Hubschrauber fliegt langsam über den Unfallabschnitt der Autobahn, um Beweise für spätere Gerichtsverhandlungen festzuhalten. Hier sind heute Abend zwei Kinder gestorben. Es wird eine lange Nacht für die Notfallseelsorger . . .

Fast am Morgen: Erschöpft von dem fast siebenstündigen Einsatz sitzen die beiden Notfallseelsorger wieder im Auto. Keiner spricht. Sie haben die Unfallbeteiligten versorgt. Auch das Ehepaar wurde von Freunden abgeholt. Für die Großfamilie haben sie eine Übernachtungsmöglichkeit in der Nähe gefunden, nachdem sie noch zwei Familienmitglieder aus dem Krankenhaus abgeholt haben. Einige haben den Unfall gut weggesteckt, andere weniger. Für die Notfallseelsorger war es ein Routine-Einsatz von vielen. Und doch hinterlässt er eine düstere Erinnerung.

Wer mehr über die Notfallseelsorge Limburg-Weilburg wissen möchte, kann sich auf der Website informieren: notfallseelsorge-limburg-weilburg.de

22 Ehrenamtliche rücken bei Notfällen aus

Die Notfallseelsorge Limburg-Weilburg zählt zurzeit 22 Ehrenamtliche zwischen 46 und 74 Jahren. Sie alle haben eine umfangreiche Ausbildung durchlaufen, bevor sie überhaupt das erste Mal einen Einsatz miterlebten. Interessierte nehmen zuerst drei bis sechs Mal an den monatlichen Gesprächsabenden teil, um herauszufinden, ob dieses Ehrenamt überhaupt etwas für sie ist. Dann erfolgt die eigentliche Basisausbildung, die vom Malteserhilfsdienst geleistet wird. Erst jetzt werden die ersten Einsätze mit erfahrenen Notfallseelsorgern gemeinsam gefahren. Oft kommen neue, aktive Mitglieder über andere Mitglieder hinzu oder entdecken die Notfallseelsorge über Veranstaltungen, wie zum Beispiel Feuerwehrfeste.

So kamen seit der Gründung im Jahr 1996 über 200 passive Mitglieder zusammen, die durch ihre regelmäßigen Mitgliedsbeiträge die Arbeit der 22 aktiven Mitglieder ermöglichen. Obwohl die Notfallseelsorge für sie alle ein Ehrenamt ist, ist der Arbeitsaufwand enorm. Neben Aus- und Weiterbildungen, Mitgliederversammlungen, Gesprächsabenden, Dienstabenden, Standbetreuungen, Kongressen, Vorträgen und Spendenübergaben sind vor allem die Bereitschaften ein großer zeitlicher Faktor im Leben der Ehrenamtlichen. 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche, 365 Tage im Jahr sind zwei Seelsorger in Rufbereitschaft. Das bedeutet: In der Reichweite der Funkmelder und damit im Landkreis bleiben, das Handy dabeihaben, besser nichts vornehmen. Während des monatlichen Dienstabends werden die Bereitschaftszeiten festgelegt.

Jeder übernimmt so viel, wie er mit Beruf und Familie vereinbaren kann. Von Rentnern mit neun Tagen bis zu Familienvätern, die vielleicht nur drei Tage am Wochenende übernehmen können, tut jeder, was er kann. Die Aufteilung erfolgt meist tages- oder halbtagesweise. hvw

Die Motivation

Die Gründe, aktiver Notfallseelsorger zu werden, sind so vielfältig wie vorhersehbar. Viele wollten schon immer im Rettungsdienst arbeiten. Sehr oft ist auch christliche Nächstenliebe und der Spaß daran, mit Menschen zu arbeiten, eine Motivation zum Einstieg. Dazu kommt die Arbeit im Team. Auch persönliche Schicksale spielen eine Rolle. Ein langjähriges Mitglied wurde selbst einmal von der Notfallseelsorge unterstützt, als er bei einem Autounfall seinen Sohn verlor – drei Jahre später begann er seine Basisausbildung. hvw

Der aktuelle Einsatz ist nicht alles: Wie geht es danach weiter?

Möchte jemand erzählen, wie er den Einsatz erlebt hat?“ Über 20 Feuerwehrleute und einige Notfallseelsorger sitzen in einer Runde im Vereinsheim der freiwilligen Feuerwehr. Vorgestern waren sie alle bei dem Einsatz auf der Autobahn; für viele der intensivste ihrer Laufbahn. Nun wollen sie ihre Geschichten zusammensetzen, um alle Details zu klären.

Bei vielen merkt man, wie sehr es sie noch beschäftigt. Aber es verstehen auch alle, dass es wichtig ist, die Bergungsaktion in Gedanken noch einmal durchzugehen: So beugen sie einem typischen Vermeidungsverhalten vor. Trotzdem gibt es Hemmschwellen beim Erzählen, vor allem bei der Beschreibung der Unfallstelle. Man merkt, wie sehr die Zerstörung selbst die erfahrensten Einsatzkräfte beschäftigt.

Bei den Nachbereitungen der Einsätze geht es generell um drei Bereiche: Die Betreuung der Notfallseelsorger, der Rettungskräfte und die organisatorische Nachbereitung. Für die Notfallseelsorger ist es oft schon genug, mit dem Kollegen den Einsatz noch einmal durchzusprechen, Eindrücke zu teilen und Informationen zu vervollständigen. Herr Werner vergleicht es so: „Es ist wie ein Puzzle, das sich durch die Ergänzung der Erfahrungen immer weiter zusammensetzt.“ Bei besonders intensiven Fällen erkundigt sich auch die Vorsitzende nochmal telefonisch nach dem Wohlbefinden ihrer Mitglieder, außerdem werden diese Einsätze bei dem monatlichen Gesprächsabend im Vereinsraum innerhalb der Gruppe besprochen. Bei sehr schweren Einsätzen gibt es auch mit Feuerwehr oder Rettungsdiensten ein Nach-treffen, da diese im Gegensatz zur Polizei keine eigenen Psychologen haben.

Zeitnah zu jedem Einsatz wird außerdem von einem der beiden Seelsorger ein kurzer Einsatzbericht verfasst, indem zum Beispiel Einsatzbeginn sowie -ende, Anzahl der betreuten Personen und die gefahrene Strecke festgehalten wird. Das wird in die Statistik eingetragen; kann aber auch für die Versicherung wichtig sein, zum Beispiel bei Blechschäden auf dem Weg zum Einsatz. hvw

Die finanzielle Seite

Auch bei der Notfallseelsorge spielt die finanzielle Seite eine wichtige Rolle. Ausgaben gibt es mehr als genug: Die Erstattung der Spritkosten, Kosten für Aus- und Weiterbildung, Versicherung für die Mitglieder, Reparaturen, nicht zuletzt die Miete für den Vereinsraum, der gleichzeitig als Lager dient. Finanziert wird dies im Wesentlichen durch Mitgliedsbeiträge, hinzu kommen Spenden und Zuwendungen aus Strafsachen. hvw

Ein vertrauliches Gespräch am Rande.
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Ein vertrauliches Gespräch am Rande.

Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.

 


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