
Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.
Die Leitstelle organisiert Feuerwehr und Rettungsdienst
Von Paula Fischer
Sie nehmen die 112-Anrufe entgegen und senden Rettungsdienste zu den Einsatzorten – um Menschen zu helfen, die sich zum Beispiel beim Böllern verletzt oder zu viel Alkohol getrunken haben.
Das Telefon klingelt. Jürgen Schütz nimmt den Anruf entgegen, hört zu, drückt routiniert einige Tasten auf seiner Tastatur und sagt: «Wir schicken eine Truppe vorbei». Nur wenige Minuten später kommen etwa zwölf Männer in ihren privaten Autos angefahren, laufen zum Einsatzwagen, der kurz darauf Richtung Innenstadt braust. Die Ursache des Einsatzes: Ein brennender Mülleimer in einem Limburger Gebäude. Alle Männer sind von ihrer Silvesterfeier aufgebrochen; der Mann mit dem weitesten Weg kommt aus Linter.
«Wenn sie am Einsatzort ankommen, ist der Mülleimer wahrscheinlich längst ausgebrannt», sagt Einsatzsachbearbeiter Jürgen Schütz. Kommen muss die Feuerwehr trotzdem, man weiß schließlich nicht, wie sich der Brand entwickelt. «Irgendwie ist man ja auch immer froh, dass es eben nur ein Mülleimerbrand und nichts Schlimmeres war.»
Zehn-Minuten-Frist
Jürgen Schütz und sein Kollege Michael Tückmantel haben Nachtdienst in der Silvesternacht in der Zentralen Leitstelle für Brand-, Zivil- und Katastrophenschutz. Sie sitzen jeder mit einem Headset vor verschiedenen Bildschirmen und leiten die ankommenden Anrufe an die Rettungsdienste, die Notärzte und die Feuerwehr weiter. Nachdem Ort und die Art des Notfalls eingegeben sind, schlägt ein Programm den nächsten freien Einsatzwagen vor, den Jürgen Schütz und Michael Tückmantel darauf informieren.
So können die Einsatzleute die Vorgabe des Landes, in 95 Prozent der Fälle in zehn Minuten am Einsatzort zu sein, erfüllen. In der Silvesternacht sind im Kreis Limburg-Weilburg zu den üblichen acht Rettungsdiensten und drei Notärzten noch zwei weitere Rettungsdienste im Einsatz. «Damit sind wir ganz gut versorgt», sagt Jürgen Schütz. Die Häufigkeit der Einsätze ist nie vorherzusagen. «Es gibt Silvesternächte, die sind der Horror», sagt er. Viele Unfälle passierten, wenn Feuerwerk in eine Personengruppe gerate. So musste Michael Tückmantel in Silvesternächten schon Fingeramputationen miterleben. In anderen Silvesternächten wiederum bleibe es ruhig. «Es kommt immer darauf an, wie sich die Leute benehmen.»
Ein Stück Normalität
Dass die beiden Mitarbeiter der Zentralen Leitstelle in der Silvesternacht arbeiten müssen, sehen sie gelassen. «Natürlich wäre es schön, jetzt bei seiner Familie zu sein», sagt Michael Tückmantel, «aber wir haben uns diesen Job ausgesucht und bei dem gehört es eben dazu, an Silvester oder Heiligabend einmal Nachtdienst zu haben.» Der Frühdienst habe es außerdem auch nicht viel besser. Insgesamt 14 Männer arbeiten in der Zentralen Leitstelle. Nach einem Tag Frühdienst folgt ein Spätdienst, dann ein freier Tag. Jürgen Schütz sieht die guten Seiten des Schichtdienstes: «So ein ganz freier Tag hat auch seine Vorteile.»
Nach langjährigem Engagement in der Freiwilligen Feuerwehr und seinem Zivildienst beim Rettungsdienst beschloss der Löhnberger, seine Leidenschaft zu seinem Beruf zu machen und sitzt nun seit knapp 20 Jahren in der Zentralen Leitstelle in der Ste.-Foy-Straße. Für diesen Job muss man Gruppenführer bei der Freiwilligen Feuerwehr, Rettungssanitäter oder besser -assistent sein, eine besondere Zusatzausbildung machen und verschiedene Seminare besuchen.
Nähe zur Praxis bewahren
Auch heute noch sind Jürgen Schütz und seine Kollegen zu Fortbildungen verpflichtet und müssen mindestens zwei Wochen im Jahr im Rettungsdienst fahren, um die Nähe zur Praxis nicht zu verlieren. «Eigentlich sind aber sowieso alle von uns in der Freiwilligen Feuerwehr.» Das bedeutet für die Männer einen ausgefüllten Alltag: Neben ihrer Arbeit in der Zentralen Leitstelle nehmen sie regelmäßig an Lehrgängen und etwa alle zwei Wochen an den zwei- bis dreistündigen Übungen der Freiwilligen Feuerwehr teil. Dazu kommen die Einsätze, für die sie immer bereit stehen.
«Das ist schon ein zeitaufwendiger Job», sagt Michael Tückmantel, der in der Freiwilligen Feuerwehr Mengerskirchen aktiv ist. Er kann jedoch einen einfachen Grund für sein Engagement und seine Berufswahl nennen: «Es ist eine Art Nächstenliebe. Man hilft andern Leuten, macht sich Gedanken und versucht andere zu retten, ob es am Telefon oder an der Einsatzstelle ist.»
Genau hier sieht Jürgen Schütz das Problem für die Zukunft der Freiwilligen Feuerwehr: «Viele Leute denken immer mehr an sich», sagt er und erinnert an die Zeit, zu der man sich im Dorf noch gegenseitig geholfen habe. «Heute sagen viele bei Problemen anderer Leute einfach, das sei nicht ihre Sache.» Sorgen bereitet den Einsatzsachbearbeitern vor allem der fehlende Nachwuchs. Die Jugend habe heute ein viel größeres Angebot an Freizeitbeschäftigungen, man sei mobiler und verlasse sein Dorf oft für eine Ausbildung oder ein Studium. «Da fällt die Feuerwehr natürlich hinten runter.»
Viele Städte und Kommunen, die weniger als 100 000 Einwohner haben und deshalb nicht zu einer Berufsfeuerwehr verpflichtet sind, sind jedoch auf die Freiwillige Feuerwehr angewiesen. Die hessische Landesregierung hat deshalb eine Imagekampagne gestartet, bei der sie vor allem die Bevölkerungsgruppen ansprechen will, die bei der Feuerwehr bisher unterrepräsentiert sind: Frauen und Migranten. Mit Slogans wie «Frauen an den (Brand-)Herd» will sie das Interesse von Frauen an der Freiwilligen Feuerwehr wecken.
Keine Knallerei mehr
Kann man bei so vielen hautnah erlebten Unfällen überhaupt noch Spaß am Böllern haben? Michael Tückmantel wehrt ab: «Ich habe früher geknallt und auch heute nichts dagegen, wenn andere böllern. Aber ich selbst habe genug davon.» Jürgen Schütz dagegen macht, wenn er nicht gerade Nachtdienst hat, selbst sein Feuerwerk, jedoch: «Man ist natürlich vorsichtiger geworden.» Vieles hänge von der Qualität und der Herkunft der Feuerwerkskörper ab, geprüfte deutsche Ware sei aber normalerweise in Ordnung. Und: «Man darf keinen Unfug damit machen.»
INFO Das ist kein Scherz
Es war ein ruhiger Jahreswechsel, den Rettungsdiensten und Feuerwehren ist das auch lieber so. Dennoch ist es für Kreisbrandinspektor Georg Hauch immer wieder ein Ärgernis, wenn das Notruftelefon zum Scherz angerufen wird. Das war in der Nacht vom 31. Dezember auf 1. Januar wieder der Fall. Nach ein paar unverständlichen Worten legen den Anrufer meist auf, so Hauch. Aber durch den Missbrauch könne es sein, dass die Leitung für einen tatsächlichen Notruf blockiert ist und somit für richtige Notfälle nicht zur Verfügung stehe. Nach Angaben des Kreisbrandinspektors wird der Missbrauch der Notrufnummer zur Anzeige gebracht und versucht, die Anrufer zu ermitteln.
Artikel vom 02. Januar 2011, 22.30 Uhr (letzte Änderung 03. Januar 2011, 04.11 Uhr)