Runkel-Eschenau. Hätten Andreas Bitsch und Torsten Steinmetz bei dem Wohnungsbrand in Eschenau nicht so beherzt gehandelt, wäre einen 62 Jahre alte Bewohnerin vermutlich ums Leben gekommen ...
Bild: Andreas Bitsch (links) und Torsten Steinmetz sind froh, ein Leben gerettet zu haben, ohne dass ihnen selbst was passiert ist. FOTO: kerstin kaminsky
ESCHENAU - Andreas Bitsch und Torsten Steinmetz retten 62-Jährige aus brennendem Haus
Bereits halb ohnmächtig lag die Frau im Eingangsbereich ihrer Wohnung. „Alles war voll mit dichtem Rauch“, erinnern sich die beiden Retter. Die hilflose Frau hätten sie nur durch deren „schreckweite Augen“ bemerkt und konnten sie schließlich ins Freie bringen. „Wären wir erst nach Runkel gefahren, hätte sie wohl nicht überlebt“, sind sich die Ersthelfer sicher.
Als der Funkempfänger von Andreas Bitsch am frühen Abend des 5. November Alarm gab, hatte er es sich grade im Kreise seiner Clique zum gemeinsamen Spieleabend gemütlich gemacht. Das erste Bier war noch nicht fertig eingeschenkt, die Würfel warteten noch auf ihren Einsatz. Für das gesellige Beisammensein hatten sich die Männer im Wochenendhaus eines Mitspielers am Ortsrand von Eschenau verabredet.
„Unklare Rauchentwicklung in der Weinbergstraße 20, dringender Vollalarm“, übersetzte Andreas Bitsch die codierte Alarmierung. Ihm war klar, dass nun die Wehren von Runkel-Schadeck, Eschenau-Hofen und Dehrn ausrücken.
Vielleicht ist es ja nur ein Grillbrand oder eine andere kleine Ursache, die zu der Rauchentwicklung führt, dachte sich der Feuerwehrmann. Statt sich von seinem Kumpel nach Runkel zur Feuerwache fahren zu lassen, wollte er erstmal schauen, was los ist. „Vielleicht hätte ich ja alle wieder abbestellen können“, so seine Überlegung.
„Die Bewohnerin ist ganz sicher daheim“
Bei der Adresse angekommen, nahm der 51-Jährige Rauchgeruch wahr und sah die Schwaden auch schon aus allen Ritzen quellen. „Dem Lärm des Rauchmelders folgend ging ich ums Haus herum, klopfte an alle Türen und Fenster, doch niemand reagierte“, erzählt er. Als er schon im Begriff war, sich doch nach Runkel bringen zu lassen, trat eine Nachbarin auf die Straße. „Die Bewohnerin ist ganz sicher daheim“, rief sie aufgeregt.
Obwohl Andreas Bitsch in seiner Freizeitkleidung völlig ungeschützt war, stand für ihn außer Frage, dass er da jetzt rein muss. Zum Glück gab die Haustür nach, als er sich dagegenstemmte. Im Eingangsbereich entdeckte der Feuerwehrmann die Bewohnerin. Ihre Schultern und der Kopf lagen auf der Treppe, die Beine blockierten die Haustür. Mit ihrer dunklen Kleidung und dem rauchgeschwärzten Gesicht war die Frau fast nicht zu sehen. „Nur ihre weit aufgerissenen Augen waren hell, als wenn sie eine Brille tragen würde“, erinnert sich Andreas Bitsch. Er erkannte, dass die Frau keine Luft mehr bekommt und rief nach seinem Freund, der am Auto wartete.
Nach zwei tiefen Luftzügen drückten sie gemeinsam die Tür auf, und zerrten die Frau raus. Sie lebte! Doch wie stabil war ihr Zustand?
Das Martinshorn als Erlösung
Voller Sorge schauten die Retter auf den sich schwach hebenden und senkenden Brustkorb der Frau. Endlich hörten sie das Martinshorn herannahen. „Das war eine Erlösung“, denkt Torsten Steinmetz zurück. Anders als sein Freund ist der 39-Jährige nicht im Umgang mit solchen Extremsituationen geschult.
Während Andreas Bitsch dabeiblieb, als die Bewohnerin von den Sanitätern übernommen wurde, umrundete Torsten Steinmetz das Haus und entdeckte die Brandursache im Wohnzimmer. So lotste er die Feuerwehrleute zur Terrassentür und das Feuer war schnell unter Kontrolle.
„In der ersten Nacht ließen mich die starren Augen der Frau nicht los“, erinnert sich Andreas Bitsch. Das Nicken von Torsten Steinmetz zeigt, dass es ihm genauso ging. Ansonsten haben die beiden das Erlebnis gut verarbeitet. „Aber noch mal brauche ich das nicht“, sagt der Feuerwehrmann, obwohl er die Rettung von Menschen aus verqualmten Räumen ja wieder und wieder geübt hat.
Im Resümee sind die Retter einfach nur dankbar, zum rechten Moment am rechten Fleck gewesen zu sein. „Es war ein Zusammentreffen von glücklichen Umständen, dass wir das Leben der Frau retten konnten“, fasst der Feuerwehrmann zusammen: nämlich der Männerabend in Eschenau, dass die Haustür nicht zugeschlossen war und dass die Frau direkt hinter der Tür lag. „Noch drei oder vier Meter weiter drin, dann hätten wir sie nicht gesehen.“
Trotz viel Lob für seine Courage musste Andreas Bitsch auch einen Rüffel einstecken. „Ich habe gegen etliche Regeln der Feuerwehr verstoßen“, sieht er ein.
Wie es der geretteten 62-Jährigen jetzt geht, weiß er nicht. Weder die Frau selbst noch irgendwelche Angehörigen hätten sich bislang gemeldet. „Ich glaube, viele Menschen halten die Feuerwehr für eine Selbstverständlichkeit und sind sich nicht bewusst, dass hier Freiwillige das eigene Leben zum Wohle der Allgemeinheit riskieren“, gibt Andreas Bitsch zu bedenken.
Bild: Andreas Bitsch (links) und Torsten Steinmetz sind froh, ein Leben gerettet zu haben, ohne dass ihnen selbst was passiert ist. FOTO: kerstin kaminsky
Der Hausbrand in Eschenau Anfang November hätte noch weit schlimmer enden können. FOTO: Feuerwehr Runkel
Kerstin Kaminsky
Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.