LIMBURG-WEILBURG. Die Bilder aus der Silvesternacht in Berlin oder Frankfurt haben viele noch im Kopf. Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte, die tätlich angegriffen oder mit Feuerwerk beworfen werden ...
Bild: Gewalt gegen Einsatzkräfte
Auch in Limburg-Weilburg gibt es Gewalt gegen Einsatzkräfte / Ursache meist Alkohol und Drogen
Von Mariam Nasiripour
Aber ist das nur ein Großstadtphänomen oder gibt es auch im Landkreis Limburg-Weilburg Gewalt gegen Einsatzkräfte? Wir haben darüber mit Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften gesprochen.
„Gewalt gegen Einsatzkräfte ist leider nicht nur ein Großstadtphänomen. Auch im Landkreis Limburg-Weilburg werden Einsatzkräfte beleidigt, angepöbelt, aggressiv angegangen oder gar tätlich angegriffen”, berichtet Polizeisprecher Christian Wiepen. Oft seien Alkohol oder Drogen oder beides im Spiel, was die Situation noch gefährlicher mache. Hinzu komme die gestiegene Zahl der psychisch kranken Personen, die ebenfalls als Täter in Erscheinung treten. „Im Landkreis haben sich Vorfälle im letzten Jahr dazu fast verdoppelt”, ergänzt Wiepen.
Respektlose Jugendliche besonders in Limburg
Wiepen berichtet, dass die Täter verschiedenen Altersgruppen und Nationalitäten angehörten, vom Jugendlichen bis hin zu älteren Personen. „Es sind allerdings seltener Frauen als Männer”, fügt er hinzu. Allerdings würden seit längerer Zeit in Limburg männliche Jugendliche, als Einzelpersonen oder in Gruppen, eine stärkere polizeiliche Präsenz erforderlich machen. Gerade aus dieser Klientel heraus komme es auch immer wieder zu Beleidigungen und vereinzelt auch Übergriffen gegen die Polizeibeamten.
Gegenüber diesen und ihren Anordnungen seien die Jugendlichen respektlos. Außerdem würden sie es in Kauf nehmen, dass sie Polizisten verletzen. So sei es auch schon zu gezielten Tritten und Schlägen sowie Kopfstößen in Richtung der Einsatzkräfte gekommen. Zudem wurden Polizisten angespuckt.
„Die Polizeidirektion hat auf diese Entwicklung seit September 2022 mit den Einsatzmaßnahmen ,Sicheres Limburg’ reagiert. Dabei werden mehrfach monatlich mit Unterstützung der Hessischen Bereitschaftspolizei gezielt Brennpunkte mit zusätzlichem Personal überwacht und kontrolliert”, erklärt Wiepen. Dabei verfügten die Polizeibeamten zusätzlich zu ihrer dienstlichen Bewaffnung auch über eine persönliche Schutzausrüstung.
Der Umgang mit der Ausrüstung sowie das taktische Vorgehen werde in regelmäßigen Trainings geübt. Und sollte ein gefährlicher Einsatz bevorstehen, dann achte die Polizeiführung auf ausreichende Personalstärke. Wiepen betont, dass in allen Fällen die Polizei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anwende. Die Beamten lernten bereits in ihrer Aus- und Fortbildung Deeskalationstechniken.
Und wenn es mal zu einem tätlichen Angriff kommen sollte, dann stehen ihnen in jeder Polizeidirektion sogenannte „Soziale Ansprechpartner” zur Seite, die im Umgang mit belastenden Situationen geschult sind. „Weiterhin gibt es einen eigenen psychologischen Dienst, dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich im Bedarfsfall rund um die Uhr um die betroffenen Kolleginnen und Kollegen kümmern”, sagt Wiepen. Der Polizeisprecher sagt aber auch, dass die Beamten in Limburg und Weilburg ein „dickes Fell” haben und „nicht jede verbale Entgleisung in den oft emotional aufgeladenen Situationen auch zur Anzeige gebracht wird”.
Ein solches brauchen auch die Rettungskräfte des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Limburg. Sebastian Schneider, Leiter des Rettungsdienstes, schildert einen Vorfall, der sich vor rund zwei Jahren zugetragen habe. Zwei Kollegen seien bei einem Einsatz in einer Flüchtlingsunterkunft von einem Mann, dem sie helfen sollten, tätlich angegriffen worden. Dieser habe den Rettungswagen beschädigt und einen der Einsatzkräfte geschubst und mit Steinen beworfen. Der betroffene Kollege wurde am Kopf verletzt und leide seit dieser Zeit an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Der 50-Jährige sei dienstuntauglich und in die Verwaltung des DRK versetzt worden, erzählt Carsten Fruhner, stellvertretender Leiter des Rettungsdienstes.
„Wir leben in einer Ellbogengesellschaft“
Alkohol und Drogen seien meist auch bei den Angriffen auf die Rettungskräfte im Spiel, so Fruhner. „Wir sind mit alkoholisiertem Klientel mit hohem Aggressionspotenzial konfrontiert.” Hinzu komme, dass viele nicht nachvollziehen könnten, dass die Rettungskräfte oft nicht die richtigen Ansprechpartner seien, etwa bei Trunkenheit. Die Folge seien Beleidigungen und Drohungen. „Die Tendenz ist steigend. Wir leben in einer Ellbogengesellschaft”, sagt Fruhner. Früher hätten die Menschen mehr Verständnis gehabt, wenn zum Beispiel der Rettungswagen die Straße für einen Einsatz blockierte. „Heute wird er, wenn die Schlüssel stecken, weggefahren, um den Weg freizumachen.”
Ihre Erlebnisse verarbeiteten die Rettungskräfte, indem sie darüber reden. „Bei kurzfristigen „Notfällen” bezüglich betroffenen Mitarbeitern schließen wir uns mit der Notfallseelsorge kurz”, sagt Schneider.
Ein ähnliches Bild zeichnet Olaf Wormuth, Rettungsdienstleiter des DRK Weilburg. „Es gibt auch in unserem Bereich Gewalt gegen Einsatzkräfte, die sich gegenüber unserem Rettungsdienstpersonal in der Regel verbal äußert oder geäußert hat.” Er könne zwar keine konkreten Beispiele nennen, aber es handle sich dabei um Beleidigungen und herabwürdigende Aussagen, die die Frauen und Männer des DRK Oberlahn als Begleiterscheinung ihrer täglichen Arbeit hinnehmen müssten. Die verbalen Angriffe seien meist auf den übermäßigen Konsum von Alkohol zurückzuführen, ist auch Wormuths Erfahrung.
Von anderen Erfahrungen berichtet Christian Gros, Stadtbrandinspektor der Stadt Weilburg: „Die Einsatzkräfte der Feuerwehr der Stadt Weilburg haben in dieser Richtung bisher glücklicherweise nur wenige negative Erfahrungen gemacht.” Angriffe gegen die Kameraden drückten sich eher in Respektlosigkeit und abfälligen Bemerkungen aus, so Gros. Das sei besonders bei Verkehrssicherungsmaßnahmen, wie Straßensperrungen, der Fall.
Demotivierend für die Kameraden
Der Stadtbrandinspektor erzählt aber auch von Gedrängel in einem Flur, weil die Personen kein Verständnis für eine Evakuierung gehabt hätten. „Es gibt auch Beschimpfungen durch Anwohner oder Passanten, wenn sie durch veranlasste Maßnahmen persönliche Beeinträchtigungen in Kauf nehmen müssen”, fährt Gros fort.
Für die betroffenen Kameraden sei das demotivierend, wenn sie sich, anstatt auf die eigentliche Aufgabe zu konzentrieren, mit Deeskalation und der Frage, ob die Betroffenen ihre Hilfe überhaupt möchten, beschäftigen müssen. „Die Männer und Frauen sind enttäuscht und teilweise schockiert, wenn sie, obwohl sie Gefahren abwenden, oder Menschen retten möchten, beschimpft werden oder Aggressionen begegnen”, betont Gros. Von einer Zunahme der Aggressionen gegen die Einsatzkräfte spricht auch Gros und nennt ebenfalls den Alkoholkonsum als eine Ursache. Aufgefallen ist ihm aber auch eine Häufung, „wenn Betroffene oder Passanten aus Kulturkreisen stammen, in denen Ausübung von Gewalt in der Gesellschaft und/oder durch staatliche Organe üblich ist.”
Die Kameraden sollen in solchen Situationen deeskalierend wirken durch eine ruhige und klare Ansprache. Sie sollen eine aggressionsarme Atmosphäre schaffen und ein wertendes sowie kritisierendes Vorgehen vermeiden. Sie werden aber auch aufgefordert, sämtliche Vorfälle zu melden und nichts zu verharmlosen. Die Feuerwehr in Limburg teilt dagegen auf Anfrage mit, dass es in der Domstadt keine Vorfälle gegen die Brandbekämpfer gebe.
Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.