RUNKEL. Eine Stadtverordnetenversammlung vor vollen Zuschauerrängen ist in Runkel wahrlich eine Seltenheit ...
Parlament spricht sich gegen ein gebrauchtes Fahrzeug aus / Zwei Fraktionen beteiligen sich nicht an Abstimmung
Von Tobias Ketter
Am vergangenen Mittwoch besuchten allerdings mehr als 70 Bürger die jüngste Sitzung des Parlaments. Unter ihnen befanden sich viele Feuerwehrkameraden, denn auf der Tagesordnung stand der Kauf einer Drehleiter für die Feuerwehr Runkel/Schadeck. Das Thema wurde in den vergangenen Wochen intensiv im Magistrat, in den Ortsbeiräten und in der Bevölkerung debattiert. Die Mandatsträger stimmten letztlich mehrheitlich für den Erwerb eines neuwertigen Fahrzeugs. Zuvor wurde aber teils emotional diskutiert.
Zunächst berichtete der Stadtverordnetenvorsteher Jörg-Peter Heil (CDU), dass die Anschaffung der Drehleiter laut einem früheren Beschluss eigentlich Aufgabe des Magistrats gewesen sei. „Der Spielball ist aber nun wieder zurück an das Parlament gegeben worden”, sagte der Christdemokrat. Im Haushaltsplan für das Jahr 2022 seien 700.000 Euro für den Neukauf festgeschrieben und die Maßnahme werde mit einer Summe in Höhe von 217.000 Euro gefördert.
Magistrat stellt Investition infrage
Doch warum sollten die Mandatsträger nun erneut über den Erwerb der Drehleiter abstimmen? „Im Magistrat wurde die Notwendigkeit einer Investition in dieser Größenordnung, vor allem aufgrund der finanziellen Lage der Stadt Runkel, teilweise infrage gestellt”, heißt es in einer Begründung auf der Beschlussvorlage. Das Gremium wolle den Brandschutz weiterhin gewährleisten, sehe aber in der Beschaffung einer gebrauchten Drehleiter die Möglichkeit, den aktuellen Haushalt um mehr als eine halbe Million Euro zu entlasten. Während einer Sitzung am 13. Februar habe sich der Magistrat dann dazu entschlossen, die Frage zurück an die Stadtverordneten zu geben. Diese mussten also nun darüber entscheiden, ob die Feuerwehr ein neues oder ein gebrauchtes Fahrzeug bekommt.
Während der Diskussion meldete sich zunächst Klaus-Jürgen Wagner, Fraktionssprecher der Bürgerliste, zu Wort. Da das Parlament damals keinen Sperrvermerk beschlossen habe, müssten die im Haushalt zur Verfügung stehenden Mittel nicht für eine neue Drehleiter genutzt werden. Man könne das Geld auch für ein gebrauchtes Fahrzeug ausgeben, merkte er an. Außerdem monierte Wagner, dass es keine belastbaren Zahlen zu den Kosten gebe. Die Summe von 800.000 für eine neue Drehleiter, welche im Beschlussvorschlag auftaucht, und auch die dort vermerkten 175.000 Euro für ein gebrauchtes Fahrzeug seien nur Schätzwerte.
Mitglieder der Bürgerliste „unter Druck gesetzt“
„Wir haben das Thema intensiv diskutiert und wir wollten eigentlich ohne Vorgabe für unsere Parlamentsmitglieder in die Abstimmung gehen”, sagte der Fraktionssprecher. Allerdings hätten er und seine Parteikollegen nun beschlossen, nicht an dem Votum teilzunehmen und stattdessen die Runkeler Stadthalle während der Abstimmung zu verlassen. Leider seien nämlich vor der Sitzung völlig inakzeptable Versuche von Bürgern erfolgt, Stadtverordnete in ihrem demokratischen Recht auf neutrale Beschaffung von Informationen zu behindern und sie unter Druck zu setzen, für die „richtige” Alternative abzustimmen. „Dies hat zum Rücktritt unseres Fraktionsmitglieds Christian Fürstenfelder geführt”, so der sichtlich aufgewühlte Politiker.
Nach der für einige Beteiligte überraschenden Aussage wurde die Sitzung auf Antrag der SPD unterbrochen. Zehn Minuten später berichtete Lothar Hautzel, Fraktionssprecher der Sozialdemokraten, dass er die Entscheidung der Bürgerliste nicht begrüße. Es sei schade, dass sich die Fraktion der Verantwortung entziehe. Der SPD-Politiker betonte, dass eine neue Drehleiter wichtig und nötig sei. „Der Kauf eines gebrauchten Fahrzeugs ist nicht sinnvoll und der Neuerwerb ist somit alternativlos”, sagte Hautzel. „Das Thema hätte früher an die Stadtverordneten zurückgegeben werden müssen. Es handelt sich um eine Verschleppung des Magistrats”, so der Lokalpolitiker weiter.
Bürgermeister Michel Kremer (parteilos) äußerte sich daraufhin zu den Aussagen. „Wegen meiner eigenen Handlungsweisen ist es zu Verzögerungen gekommen”, gestand er ein. Der Rathauschef akzeptiere die Kritik. Er merkte allerdings auch an, dass das Thema wohl längst abgeschlossen wäre, wenn sich Runkel nicht in einer solch prekären finanziellen Lage befinde. Kremer schätze die Arbeit der Feuerwehr laut eigener Angabe und eine neue Drehleiter sei die „zukunftsträchtigere Wahl”.
Grüne zeigen sich solidarisch
Bernd Schäfer (CDU) bewertete die Situation anders. „Eine gute Ausstattung ist wichtig, aber es stehen wenige finanzielle Mittel zur Verfügung”, sagte er. Runkel müsse handlungsfähig bleiben und deshalb würden Teile seiner Fraktion für die gebrauchte Drehleiter stimmen. Sein Parteikollege Armin Naß erwiderte, dass es keine guten Argumente gegen ein neues Fahrzeug gebe.
Ulrich Eisenberg, Sprecher der Grünen, erwähnte, dass er mit dem Kauf einer gebrauchten Drehleiter gut leben könne. Der Brandschutz sei dadurch nicht gefährdet. Letztlich stimmten er und seine beiden Parteikolleginnen aber auch nicht mit ab. „Wir zeigen uns solidarisch mit der Bürgerliste. Deshalb werden wir die Sitzung auch verlassen”, sagte der Fraktionssprecher.
Die Entscheidung wurde nach Forderung der SPD dann per namentlicher Abstimmung getroffen. 14 Mandatsträger der im Saal übrig geblieben beiden Fraktionen (SPD und CDU) votierten für eine neue Drehleiter. Vier Stadtverordnete stimmten dagegen. Unter ihnen befand sich unter anderem auch der Vorsitzende des Haupt- und Finanzausschusses Wolfgang Ax (CDU). Es gab eine Enthaltung. „Aufgrund dieser Mehrheit müssen wir nun nicht mehr über die Beschaffung einer gebrauchten Drehleiter abstimmen”, erklärte Jörg-Peter Heil.
Die Feuerwehrkameraden dürfen sich nun also auf ein neues Fahrzeug freuen. Bis zur Lieferung werden voraussichtlich aber noch ein, bis zwei Jahre ins Land gehen. Währenddessen nutzt die Feuerwehr eine Leihleiter. Die Miete für dieses Fahrzeug kostet laut der Beschlussvorlage wohl monatlich zwischen 6000 und 8000 Euro.
Hinweis: Verwendung der Artikel mit freundlicher Genehmigung der Nassauischen Neuen Presse.