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RHEIN-LAHN/REGION. „In Notfällen sind Menschen nicht nur körperlich auf Hilfe angewiesen. Ängste und Verzweiflung verlangen ebenfalls nach Zuwendung ...

Personelle Wechsel bei zwei Organisationen in der Region - Leitungskräfte berichten über die Arbeit

Von Till Kronsfoth

Notfallseelsorge versteht sich also als die behutsame und unmittelbare Unterstützung in psychosozialen Ausnahmesituationen“, erklärt Ulrike Braun-Steinebach. Sie muss es wissen, leitete sie doch 20 Jahre lang die Notfallseelsorge der Evangelischen Kirche im Westerwald und dem Rhein-Lahn-Kreis.

Bei der Notfallseelsorge Limburg-Weilburg übernahmen kürzlich Andrea Köhler und Kathrin Tuchscherer das Zepter. „Wir begleiten Menschen in Ausnahmesituationen. Sie sind oft in sich gekehrt, wissen nicht, was zu tun ist. Wir helfen ihnen dabei, wieder ins Handeln zu kommen“, sagt sie. Das könne bedeuten, einfach nur mit den Betroffenen zusammen zu schweigen, damit diese nicht allein sind. Das könne aber auch praktische Hilfe sein, zu überlegen, wen man jetzt anrufen muss oder welche Dokumente man nun besorgen soll.

„Ich habe früh beide Eltern verloren“, erklärt Galina Kroh. „Damals hätte ich mir gewünscht, dass mir jemand die Hand gedrückt hätte. Dieses Trauma habe ich erst überwunden, als ich begann, darüber zu sprechen. Ich möchte Leuten die Hand drücken, so wie ich es damals gebraucht hätte.“ Katrin Tuchscherer ging es ähnlich: „Als meine Mama starb, hat mein Vater das durch das Krankenhaus am Telefon erfahren. Ich dachte damals: Das hätte anders laufen müssen.“

Galina Kroh hat erst vor Kurzem die Ausbildung zur Notfallseelsorgerin absolviert. Seit Mai fährt sie auf Einsätze mit. Seit September besucht sie zudem den Aufbaukurs. „Dann bin ich nicht mehr der Neuling“, sagt sie und lacht. Die Basisausbildung zum Notfallseelsorger wird durch die Malteser durchgeführt und besteht aus zwei Wochenendseminaren. „Alles, was passieren kann, wird dort angesprochen. Umgang mit Tod, Suizid, Unfällen. Verschiedene Gesprächssituationen werden in Rollenspielen eingeübt“, erklärt Andrea Köhler. In den Aufbauseminaren werden Dinge wie Krisenintervention trainiert. Zusatzzertifikate kann man durch Hospitationen beim Rettungsdienst erwerben.

Jede Notlage erfordert eine individuelle Reaktion

Bei ihren Einsätzen sind Notfallseelsorger mit sehr unterschiedlichen Situationen konfrontiert, die sie jedes Mal vor neue Herausforderungen stellen. „Jeder Einsatz ist anders. Man hat während der Anfahrt ein bestimmtes Bild im Kopf, und wenn man vor Ort eintrifft, ist oft alles anders als gedacht“, erklärt Katrin Tuchscherer. Sich eine bestimmte Strategie zu erarbeiten, mit der man sich auf jeden Einsatz vorbereiten könne, sei daher fast unmöglich. „Der eine hört bei der Anfahrt Musik, der andere braucht seine Ruhe. Das ist bei jedem unterschiedlich“, so Tuchscherer.

Hingegen haben manche Notfallseelsorger feste Rituale, um das im Einsatz Erlebte nicht mit nach Hause zu nehmen. „Ich lasse meine Einsatzjacke im Auto. Sie kommt nie mit ins Haus“, erzählt Andrea Köhler. Somit lässt sie die Schrecken des Einsatzes symbolisch vor der Tür. Ähnlich handhabt das Galina Kroh. „Ich lasse die Einsatzkleidung im Eingangsbereich meines Hauses unter der Treppe. „Das ist meine Schleuse. Mit dem Ablegen der Einsatzkleidung lege ich auch das Erlebte ab.“ Für besonders erschütternde Erlebnisse steht dem Team eine Psychologin sowie ein monatlicher Gesprächsabend zur Verfügung. Außerdem wird niemand gezwungen, Einsätze zu übernehmen. Wenn ein Notfallseelsorger auf dem Melder sieht, dass ein Bekannter betroffen ist, kann er ohne Rechtfertigungszwänge einen Kollegen bitten einzuspringen. Die Notfallseelsorger fahren nie allein zu Einsätzen, sondern immer zu zweit.

Für Ulrike Braun-Steinebach war bei ihrer Arbeit ihr Umfeld eine wichtige Stütze: „Mir hilft es sehr, privat ein soziales Umfeld zu haben, das Halt und Orientierung gibt. Familiäre Bande und Freundschaften, auf die ich mich verlassen kann, die mich erden und zugleich Ablenkung und Aufmunterung spenden.“

Ein Fall ist Andrea Köhler von der Notfallseelsorge Limburg-Weilburg besonders in Erinnerung geblieben. „Ich sollte eine Todesnachricht überbringen. Als ich dort ankam, wurde mir klar, dass das Unfallopfer noch sehr jung gewesen sein musste und dass ich mit den Eltern sprechen sollte. Es stellte sich heraus, der Tote war gerade 18 Jahre alt. Und die Eltern waren in meinem Alter. Ich habe gewisse Parallelen gezogen, die man natürlich nicht ziehen soll. Aber das hat mich noch lange beschäftigt.“ „Ich habe mal einer jungen Frau die Nachricht überbringen müssen, dass ihr Mann verunglückt ist. Ich kam dort an, und die Frau stand mit einem kleinen Baby auf dem Arm allein in dem halb fertig renovierten Haus. Das hat mir schon zu schaffen gemacht“, erinnert sich Katrin Tuchscherer.

Auch Ulrike Braun-Steinebach erinnert sich an einen solchen Fall: „Ich denke gerade an eine Kirmes in einem kleinen Ort. Dort kam es einmal zu einem Unfall, bei dem ein Kleinkind überfahren wurde und starb. Die Verzweiflung lähmte nicht nur die Eltern und Angehörigen. Das Unglück ging auch an den ehrenamtlichen Helfern nicht spurlos vorüber.“

Die Notfallseelsorge Limburg-Weilburg ist ein eingetragener Verein. Im Gegensatz zur Notfallseelsorge der evangelischen Kirche stärkt den Seelsorgern keine mit großzügigen Finanzmitteln ausgestattete Organisation den Rücken. Die Hessen müssen sich allein durch Spenden und Mitgliedsbeiträge finanzieren. Dies stellt sie vor Herausforderungen. „Es ist eine rein ehrenamtliche Tätigkeit. So was ist nur mit viel Herzblut leistbar“, erklärt Tuchscherer. „Die meisten unserer Mitglieder sind in Vollzeit berufstätig. Hinzu kommt, dass wir anders als die Feuerwehrleute vom Arbeitgeber für unser Ehrenamt nicht freigestellt werden müssen.“

Ihre Dienstfahrten absolvieren die Seelsorger mit ihren privaten Autos. „Die Ausbildung für unsere Neumitglieder ist wahnsinnig kostenintensiv. Das technische Equipment, die Einsatzkleidung, alles wird teurer. Aber unsere Vergütung ist das Dankeschön der Betroffenen.“ Dennoch ist die Notfallseelsorge auf Spenden und Unterstützung angewiesen.

Hinweis: Verwendung der Artikel mit freundlicher Genehmigung der Nassauischen Neuen Presse.

 

 


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