Berlin. Drei Buchstaben – und ein Vielfältiges an Aufgaben, Ergebnissen sowie Einsatzerfolgen: Die ATF. Hinter dieser Abkürzung verbirgt sich die teils englische Bezeichnung „Analytische Task Force“, genauer benannt mit ATF-CBRN ...

Bild: DFV

Die letzten Buchstaben dürften einem Feuerwehrangehörigen dabei schon etwas geläufiger sein, sind sie doch die moderne Variante für den landläufig bekannten Begriff ABC. Entschlüsselt bedeutet dies also, es handelt sich um eine Spezialeinheit im Bereich der Gefahrenabwehr chemischer, biologischer, radiologischer und nuklearer Stoffe. Und tatsächlich stellt sie eine Rarität dar, denn es gibt bundesweit nur acht Standorte und der Bund hält sie bereit.

In der bewährten Online-Fortbildung „DFV direkt“ stellte Matthias Drobig vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) mehr als 500 Interessierten die vorgehaltene ATF-Ausstattung des Bundes vor.

Zum Hintergrund: Im föderalen System Deutschlands sind für den friedensmäßigen Katastrophenschutz gemäß Art. 30, 70 Grundgesetz (GG) die Bundesländer zuständig. Erst über den Zivilschutz, der sich aus Art. 73 I Nr. 1 GG ergibt, ist der Bund ebenfalls eingebunden. Organisiert wird dies beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, dort wird auch die sogenannte ergänzende Ausstattung im erweiterten Katastrophenschutz bereitgestellt. Über diese insgesamt 21 Fahrzeugtypen inkl. Material verfügen auch die Länder, welche sich gegenseitig und wiederum mit dem Bund unterstützen, vgl. Amts- bzw. Katastrophenhilfe gemäß Art. 35 GG.

Die ATF-Ausstattung des Bundes kommt ergänzend zur Grundversorgung in den kommunalen Feuerwehren und Hilfsorganisationen zum Einsatz, wenn fachliche Expertise und Spezialgeräte gefragt sind. Dabei sind das Vorhandensein der CBRN-Stoffe und deren Gefahren jederzeit und überall in Deutschland möglich. Das Auftreten kann durch unfallbedingte oder vorsätzliche Freisetzung erfolgen. Für die Beseitigung ist es jedoch unerheblich, welche Ursache vorliegt, entscheidend ist im Ergebnis die gleichartige Schadensauswirkung auf Betroffene. „In jedem Fall ist schnelles Handeln erforderlich“, hielt der Referent als wichtiges Merkmal fest. „Wir behalten die Schutzmaßnahmen im Blick: Als erstes den Schutz der Personen, zum Beispiel durch geeignete Ausrüstung. Danach gilt es, eine schnelle Detektion und Identifikation durchzuführen, um anschließend die geeigneten Gegenmaßnahmen entscheiden zu können. Da kommen dann Dekontamination, Absperrungen oder weitergehende Hinweise und dergleichen in Frage.“

Bei 3.300 Störfallbetrieben im Bundesgebiet oder 300 Millionen Tonnen Gefahrgut jährlich, die hälftig auf der Straße oder mit Bahn bzw. Binnenschiff transportiert werden, sind die Schadensszenarien mannigfaltig. Da wirkt die flächige Abdeckung Deutschlands mit ATF-Standorten und deren vielfältigen Fähigkeiten beruhigend. Das Landeskriminalamt Berlin, die Berufsfeuerwehren Hamburg, Dortmund, Leipzig, Köln, Mannheim und München bieten das Spektrum für CRN. Zusätzlich beherrschen auch die Berliner und Münchener die Bewältigung von B-Gefahren, einzig die Feuerwehr Essen ist allein darauf spezialisiert. Bei einem Radius von etwa 250 Kilometern und einer Erreichbarkeit innerhalb von drei Stunden ist nahezu jede Einsatzstelle in angemessener Zeit bewältigbar.
Drobig erklärte: „Das bewährte System von TUIS hat dazu eingeladen, auch die ATF mit einer Dreistufigkeit zu alarmieren“. Daher gibt es hierbei ebenfalls erst eine telefonische Beratung, bevor sich in einem zweiten Schritt vier bis acht Fachleute als Berater auf den Weg machen oder in der Stufe 3 umfangreiche Technik mit bis zu 15 Personen Bedienpersonal zur Einsatzstelle entsandt wird. Die Resultate der ATF führen nach deren Bewertung durch Fachleute stets zu einem beratenden Charakter, die Entscheidungen treffen die örtlichen Einsatzleitungen.

Bei radiologischen Lagen findet im Übrigen oft ein Zusammenspiel mit vielerlei anderen fachlichen Spezialzuständigkeiten statt. Die schnellen Erkenntnisse durch die ATF der Feuerwehren werden dann mit diesen Behörden geteilt. In Summe rücken die acht deutschen ATF zu 250 Einsätzen im Jahr aus.

Beeindruckend klingen schon die Möglichkeiten von Detektion und Identifikation der Substanzen: Fernerkundung, feldmäßige B-Analytik, qualifizierte CBRN-Probenahme, Befähigung zur RN-Messung und vorläufigen Nuklid-Bestimmung. Enthusiasten technischer Raffinessen begeistern sich noch mehr für die Details, mit denen die chemische Detektion erfolgt. Dies sind pH-Papier, Wassernachweispaste, Öltestpapier, Ex-Ox-Messgerät, Prüfröhrchen, Mehrgasmessgerät(e), Photo-Ionisations-Detektor und Ionen-Mobilitäts-Spektrometer (für chemische Kampfstoff-Erkennung) oder Flammenspektrometer (als elementspezifischer Nachweis von Phosphor, Schwefel, Arsen, Stickstoff). Zur Identifikation werden IR-Spektrometer (feste oder flüssige Reinstoffe), Raman-Spektrometer (feste oder flüssige Reinstoffe), Röntgen-Fluoreszenz-Spektrometer (Feststoffe, Schwermetalle), Fernerkundungsgeräte auf IR-Basis (luftgetragene Gase und Dämpfe, bis 5 km) und Gaschromatograph-Massenspektrometer (Auftrennung von Gemischen zur Identifikation der Einzelkomponenten organischer Substanzen) eingesetzt. Tests für die Erkennung von Pest, Anthrax, Botulinum Toxin, Rizin oder Pocken runden die Fähigkeiten im B-Einsatz ab. Mit dem Messgerät Razor Ex stehen nach eine halben Stunde Analysezeit bereits Daten zur Verfügung, beispielsweise auch zu weiteren Bakterien- oder Virenstämmen wie Brucellose. Die Leistungsfähigkeit kann selbstverständlich auch im R- oder N-Einsatz bewiesen werden. So weist die Beladung der ATF-Fahrzeuge für diesen Einsatzzweck Dosis-Leistungsmessgeräte mit Neutronendetektion, Kontaminationsnachweisgeräte, Dosisleistungsmessgeräte mit NBR-Sonde oder Gammaspektrometer (Nuklididentifikation) auf.

Wer diese Hilfe in Anspruch nehmen möchte, muss sich an der Einsatzstelle aktiv für die Beratungsleistung entscheiden und diese dann über die länderspezifischen Alarmierungswege anfordern. Im Rahmen des ohnehin aufwendig verlaufenden ABC- bzw. CBRN-Einsatzes bedarf es für die ATF noch der Unterstützung durch eine ausreichende Dekontamination gemäß FwDV 500 sowie der Logistik durch unter anderem Verpflegung, Strom, Licht und PSA-Einwegmaterial. Außerdem werden unter Umständen weiteres Personal für Erkundung und Probenahme sowie eine entsprechende anlassbezogene Transportkapazität benötigt.

Damit auch die ATF mit ihrem Fachwissen und der praktischen Hilfestellungen fit bleiben, beteiligen sich die Einheiten sehr intensiv an verschiedenen umfangreichen Übungen, auch im europäischen Ausland.

Seinen interessanten und informativen Vortrag rundete Matthias Drobig mit einigen Einsatzbeispielen ab. Weltweite Ereignisse der vergangenen Jahrzehnte, die in das Einsatzspektrum der ATF Deutschland gepasst hätten, zog er als Vergleiche ebenfalls heran. Die Präsentation der Fortbildung steht unter https://www.feuerwehrverband.de/veranstaltungen/dfv-direkt/ online. Dort ist auch die Anmeldung für die nächste Ausgabe der „DFV direkt“ möglich: Am Montag, 19. Februar 2024, von 18 bis 19 Uhr, erklärt Stefan Roth das Urheberrecht in der Brandschutzerziehung und -aufklärung.

(Matthias Oestreicher, DFV-Presseteam)

Quelle: Deutscher Feuerwehrverband e. V. (DFV)

 

 


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