WEILBURG. Heute vor 35 Jahren, am 27. Februar 1989, versank die Knabbergebäck-Fabrik Hultsch im Industriegebiet Waldhausen durch einen Großbrand in Schutt und Asche ...

Heute vor 35 Jahren versank der Salzstangen-Hersteller Hultsch bei einem Großbrand in Schutt und Asche

Von Wolfgang Henss

Das flammende Inferno, das vermutlich durch einen Brand im Verpackungslager entstand, besiegelte nicht nur das Ende der Salzstangen-Produktion in Weilburg, sondern auch das Ende einer wechselhaften Unternehmensgeschichte.

Der Schaden durch das Großfeuer wurde damals auf 20 Millionen Mark geschätzt. Die aus dem Saarland stammende Firma Stixi, die den Betrieb in Waldhausen gerade erst gekauft hatte, versicherte, die zerstörten Hallen und Anlagen wieder aufbauen und die 220 Arbeitsplätze retten zu wollen. Doch dazu kam es nicht. Am 2. April 1993 wurde die Arbeit in Waldhausen endgültig eingestellt.

Der 27. Februar 1989 war ein Montag. Das Feuer wurde gegen 17.30 Uhr bemerkt. Schnell war klar, dass die Weilburger Feuerwehr allein der Flammen, die bald haushoch aus den Hallen schlugen, nicht Herr werden konnte. Ein paar Hundert Feuerwehrleute waren im Einsatz, um das Feuer zu bekämpfen und die Versorgung mit Löschwasser sicherzustellen. Neben den Löschzügen aus allen Weilburger Stadtteilen eilten auch die Feuerwehren aus Löhnberg, Limburg und Braunfels zum Brandort.

Hultsch-Zwieback wird noch immer gebacken

Der Weilburger Magistrat beendete seine Sitzung und eilte geschlossen nach Waldhausen. Über dem Industriegebiet stand eine riesige, pechschwarze Rauchwolke, die noch kilometerweit zu sehen war. Da man sich nicht sicher war, ob durch die Flammen giftige Dämpfe und Gase austreten und möglicherweise die Gesundheit der Bewohner gefährden, fuhren der Weilburger Bürgermeister Erhard Olschewski und Stadtrat Walter Dannewitz durch Waldhausen und die benachbarten Wohngebiete und forderten die Bewohner durch Lautsprecherdurchsagen auf, sich in den Häusern aufzuhalten und Türen und Fenster zu schließen.

Das hielt jedoch Hunderte von Schaulustigen nicht davon ab, sich den Großbrand möglichst aus der Nähe anzuschauen. Zum Glück kam aber bis auf einen Hultsch-Mitarbeiter, der eine Rauchvergiftung erlitt, niemand ernsthaft zu Schaden; auch keiner der Feuerwehrleute, die trotz der giftigen Dämpfe und Explosionsgefahr bei der Brandbekämpfung Leib und Leben riskierten.

Nach rund zwei Stunden hatten die Einsatzkräfte den Brand einigermaßen unter Kontrolle. Doch immer wieder züngelten aus Glutnestern neue Flammen. Erst im Laufe des nächsten Tages, nachdem sich die Rauchschwaden verzogen hatten, wurde das ganze Ausmaß der Katastrophe deutlich. Es bot sich ein Bild der Verwüstung. Das Herzstück des Werkes gab es nicht mehr. Die beiden Produktionsanlagen mit zusammen vier Backstraßen waren verschmort und zerschmolzen. Die Hitze hatte die Dachkonstruktion und die sie tragenden Pfeiler wie Korkenzieher verdreht und die Hallen einstürzen lassen.

Nach Einstellung der Knabbergebäck-Produktion wurde das Gelände der Firma Hultsch in den Folgejahren unterschiedlich genutzt. 1993 verlegte die Firma Scheu, die sich dem Innenausbau von Fahrzeugen verschrieben hatte, ihren Sitz von Aumenau nach Waldhausen. Im Rahmen der Flüchtlingswelle des Jahres 2015 richtete das Land Hessen in einer Halle ein Erstaufnahmelager für Asylbewerber ein. Und schließlich nutzte die Firma Feig Electronic, die bereits im Industriegebiet Waldhausen ansässig war, das Hultsch-Gelände für ihre Expansionspläne. Sie baute dort zwei neue Firmenkomplexe und beschäftigt mittlerweile rund 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auch andere Firmen haben sich auf dem Gelände niedergelassen.

Aber auch 35 Jahre nach dem Brand ist der Name Hultsch in der Branche ein Begriff. Firmengründer Max Hultsch hatte 1933 von seinem Vater die Leitung der seit dem Jahr 1900 bestehenden Zwiebackfabrik in Neukirch (Lausitz) übernommen. Die Fabrik, die heute zur Weißenfelser Handelsgesellschaft gehört, war aus der bereits 1696 gegründeten Bäckerei Hultsch hervorgegangen. Der Neukircher Original-Zwieback nach dem Rezept des Bäckers Max Hultsch wird dort heute noch gebacken und gilt seit jeher als besonders bekömmlich. Hultsch Zwieback wurde sogar als Bordverpflegung auf dem Luftschiff „Graf Zeppelin“ bei dessen Weltumrundung im Jahr 1929 zum Tee gereicht.

1953 wurde die Zwieback-Fabrik enteignet und als volkseigener Betrieb in DDR-Zeiten weitergeführt. Max Hultsch flüchtete darauf in den Westen und wagte in der „Zwiebackstadt“ Friedrichsdorf im Taunus einen Neuanfang. 1956 übersiedelte er nach Weilburg und produzierte im Mittelteil der Hainkaserne Salzstangen und Knabbergebäck. Da er in Weilburg kein geeignetes Gelände für eine Erweiterung fand, errichtete er 1960 an der „Backstania“ zwischen Weilburg und Waldhausen neue Fabrikationsanlagen. Zusammen mit seinem Sohn Christoph entwickelte er neue Produktionsverfahren, um die Salzstangen haltbarer zu machen. 1985 verkaufte Hultsch sein Unternehmen an die Firma Convent, die es wiederum 1989 an die saarländische Stixi GmbH veräußerte. Kurze Zeit später wurde Hultsch ein Raub der Flammen.

Die Firma Stixi selbst hatte schon Erfahrung mit Bränden. Im November 1980 wurde das Werk am Firmensitz im saarländischen Ensdorf ein Opfer der Flammen. 1996 schloss Stixi das Werk in Ensdorf und seine Niederlassung in Limburg. Ironie des Schicksals: Auch beim Hultsch-Nachfolger in Neukirch brach 2015 ein Brand aus. Die Zwieback-Fabrik kam allerdings mit einem blauen Auge davon und konnte kurze Zeit später wieder Zwieback wie anno dazumal backen: Hultsch Zwieback.

Hinweis: Verwendung der Artikel mit freundlicher Genehmigung der Nassauischen Neuen Presse.

 

 


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