LIMBURG. Wenn Kanufahrer auf der Lahn kentern, Autofahrer in einer Unterführung voller Wasser nach einem Starkregen Hilfe brauchen oder Menschen ertrunken sind und deren Leichnam gefunden werden muss, kommen sie zum Einsatz ...
Sobald Menschen im Wasser in Not geraten, werden sie alarmiert / Sie orientieren sich auf eine besondere Art
Von Stefan Dickmann
Die Taucher der Limburger Feuerwehr sind eine besondere Gruppe, denn in keiner anderen Feuerwehr im Landkreis Limburg-Weilburg gibt es solche Spezialisten unter Wasser. Sie werden auch gerufen, wenn ein Gegenstand im Wasser geborgen werden muss, wie zum Beispiel ein Unfallwagen oder versenktes Diebesgut, Schwäne in Not sind oder eine Versorgungsleitung unter der Lahn defekt ist. Dafür müssen sie unter Wasser sägen, schrauben und bohren können.
Bereits seit Mitte der 1980er-Jahre gibt es die Feuerwehrtaucher von Limburg mit derzeit 15 Aktiven; zählt man die Feuerwehrleute dazu, die die Taucher mit dem Boot zur Einsatzstelle fahren, sind es insgesamt sogar 30. Neu dabei sind seit Kurzem Robin Giel, Marvin Reitz, Johannes Mink und Luca Möhlhenrich. Sie haben ihre letzte Prüfung bestanden und sind nun vollwertige und damit einsatzbereite Feuerwehrtaucher. Ihr Ausbilder waren die beiden Lehrtaucher Kai Ahlbach und Jürgen Hertzel.
Johannes Mink (32) ist schon seit seiner Jugend für die Feuerwehr aktiv, zunächst in Offheim, seit dem Jahr 2018 in der Kernstadt. Er ist Hauptfeuerwehrmann, Atemschutzgeräteträger und darf als Maschinist mit Lkw-Führerschein die größten Feuerwehrfahrzeuge bewegen. Neben seiner regulären Tätigkeit als Feuerwehrmann bei Bränden oder Unfällen kann er nun auch als Taucher eingesetzt werden.
Während der Prüfung werden Notfälle getestet
Es war eher Zufall, dass er diese Zusatzausbildung gemacht hat, erzählt er. In einem Urlaub mit einem Feuerwehrkameraden, der bereits Taucher ist, habe dieser ihn gefragt, ob er sich das vorstellen könne. Mink probierte das Tauchen erstmals aus und war sofort überzeugt. „Es hat viel Spaß gemacht, und unter Wasser entdeckt man eine neue Welt“, sagt er.
Bei ihrer Prüfung mussten die vier Neulinge im Freibad unter anderem einen Schwimmer „retten“, der zu Ertrinken drohte; dafür stellte sich Bademeister Andreas Graf zur Verfügung, der auch Feuerwehrtaucher ist. Und damit das nicht zu „einfach“ ist, mussten die Taucher zuvor 25 Meter schwimmen, dann abtauchen, aus drei Meter Tiefe einen fünf Kilo schweren Ring hochholen, um ein wenig aus der Puste zu kommen, bevor sie den Prüfern aus Wiesbaden demonstrieren konnten, dass sie zur Rettung eines Schwimmers fähig sind.
Zugleich mussten sie nachweisen, dass sie sich selbst aus einer Notlage befreien können, wenn sie sich bei einem Einsatz unter Wasser mit ihrer Ausrüstung verheddert haben: Dann müssen sie allein ihr Tauchgerät ausziehen können, um bereit für den „Notaufstieg“ zu sein, also ohne Luftversorgung an die Oberfläche schwimmen. Der zweite Teil der Übung erfolgte in der Lahn: Dort galt es, am Grund des Flusses einen Gegenstand zu suchen und zu finden, und auch hier wurde ein „Notfall“ geübt: Weil sich ein Taucher unter Wasser verheddert hatte und sich allein nicht mehr befreien konnte, mussten die Prüflinge zeigen, dass sie in der Lage sind, ihrem Kameraden in Not zu helfen.
Die wichtigsten Fakten über Feuerwehrtaucher
Im Gespräch mit dieser Zeitung erklärt der Leiter der Feuerwehrtauchgruppe Limburg, Peter Bär, worauf es ankommt, wenn man für die Feuerwehr taucht. Der 54-Jährige hat eine eigene Firma für Heizungs- und Sanitärtechnik und ist schon seit dem Jahr 1999 als Feuerwehrtaucher aktiv. „Ich hatte schon immer gern mit Wasser zu tun“, sagt er, „und habe im Urlaub gern geschnorchelt, aber so richtig Tauchen habe ich erst bei der Feuerwehr gelernt.“
Taucher sind fast blind: Tauchen im Urlaub hat nichts mit dem Tauchen für die Feuerwehr zu tun, egal, ob in der Lahn, in einem Badesee oder einem Baggersee. „Bei meist nur 50 bis 100 Zentimeter Sichtweite kann man sich nur vortasten“, sagt Peter Bär. So schildert es auch Johannes Mink. „Die meiste Zeit sieht man gar nichts“, sagt er. In klareren Gewässern kann er ab einer bestimmten Tiefe (circa sechs Meter) ein Licht einschalten, um in der zunehmenden Dunkelheit im Wasser mehr sehen zu können, aber in der Lahn ergibt das wegen der zahlreichen Schwebeteilchen keinen Sinn: „Die reflektieren das Licht, und das blendet dann“, sagt Mink.
„Das Auge des Tauchers“: Da Feuerwehrtaucher unter Wasser fast blind agieren, kommt es auf den Feuerwehrkameraden am Ufer an, den Signalmann. „Er ist das Auge des Tauchers“, sagt Peter Bär. Der Signalmann ist ebenfalls Taucher, behält den Überblick über Wasser und dirigiert mit Hilfe einer Signalleine den Taucher, mit dem er durch die Signalleine auch sprechen kann. Zirkelförmig werden dann die einzelnen Bereiche im Wasser abgesucht.
Mindestens vier Taucher braucht es pro Einsatz: Auf einen Taucher im Wasser kommen immer drei Taucher, die um Ufer stehen: der Signalmann, ein zweiter Taucher (zur Sicherheit als Ablösung nach einer gewissen Zeit und für den Notfall) und dessen Signalmann.
30 Minuten lang: Wie lange ein Feuerwehrtaucher unter Wasser bleiben kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab, erklärt Peter Bär, von der Wassertemperatur, der Strömung, der Tauchtiefe und der Fitness, wobei auch die Psyche eine große Rolle spielt, etwa, wenn eine Leiche unter Wasser gefunden werden muss. In der Lahn sei eine Einsatzzeit bis zu 50 Minuten möglich, schätzt Peter Bär, ansonsten gehe man von einer Maximaldauer eines Tauchgangs von um die 30 Minuten aus.
Gesundheitsrisiko: Taucher müssen aufpassen, dass sie unter Wasser nicht zu schnell in die Tiefe sinken und nicht zu schnell wieder aufsteigen ohne Druckausgleich im Ohr, andernfalls drohen Verletzungen im Ohr und den Nebenhöhlen.
Taucher gehen: Feuerwehrtaucher schwimmen und tauchen, aber sie bewegen sich in erster Linie immer am Grund eines Flusses oder Sees (mit der Hilfe von Bleiwesten), weil sie nur dort das finden können, was sie suchen. Entweder handelt es sich um einen Gegenstand wie ein Unfallauto, entsorgtes Diebesgut – oder um einen Leichnam als Folge eines Verkehrs-, Bade- oder Bootsunfalls oder eines Suizids. Wasserleichen befinden sich in der ersten Zeit fast immer am Grund, erst dann steigen sie aufgrund von Gasbildung im Körper bis an die Wasseroberfläche auf.
SEIN SCHLIMMSTER EINSATZ
Spricht man Peter Bär auf seinen emotional schlimmsten Einsatz als Feuerwehrtaucher an, erinnert er sich an einen tragischen Vorfall, der schon zehn Jahre zurückliegt. In der Nähe von Weilburg war nachts eine Frau mittleren Alters mit ihrem Wagen von der Straße abgekommen und in der Lahn gelandet; möglicherweise wollte sie einem Reh ausweichen. Noch bevor ihr Auto sank, konnte sie durch Hilferufe auf sich aufmerksam machen, die trotz der späten Stunde gehört wurden. Die Polizei wurde alarmiert und suchte in der Dunkelheit nach Hinweisen auf die Hilferufe, leider ohne Erfolg. Erst am nächsten Morgen seien die Reifenspuren auf einer Wiese bis zur Lahn erkennbar gewesen, erzählt Bär, rund 100 Meter flussabwärts entdeckten die Feuerwehrtaucher den Unfallwagen auf dem Grund der Lahn mit der Frau auf der Rückbank, die qualvoll ertrunken war. Auf die Frage, wie man sich verhalten soll, wenn man mit seinem Wagen in einen Fluss oder einen See stürzt, sagt Bär, man solle sofort versuchen, das Fenster zu öffnen, um schnell aus dem Wagen zu gelangen und ans Ufer schwimmen zu können; aufgrund des Wasserdrucks sei es schwierig, die Tür zu öffnen. Wenn dies nicht gelinge, weil die Elektronik bereits versagt habe, bleibe nur noch die Option, das Wageninnere mit Wasser volllaufen zu lassen, weil sich anschließend die Wagentür leichter öffnen lasse.
Hinweis: Verwendung der Artikel mit freundlicher Genehmigung der Nassauischen Neuen Presse.