BAD CAMBERG-WÜRGES (red). Neben den zahlreichen anderen Aufgaben heißt es in den Leitstellen von Feuerwehren häufig auch: Einsatz Tierrettung ...
Feuerwehr übt den Ernstfall / Pferdedummy und Spezialwerkzeug kommen zum Einsatz
Nicht immer ist es dann die Katze auf dem Baum, für die Kameraden ausrücken. Die Zahl der Einsätze, an denen große Tiere wie Pferde und Rinder beteiligt sind, steigt seit Jahren. „Mein Pferd ist in einen Graben gerutscht und schafft es nicht mehr allein heraus. Ein Pkw mit Pferdeanhänger ist in einen Verkehrsunfall verwickelt. Ein Rind ist in die Güllegrube gefallen.“ So klingen die Meldungen, die bei den Einsatzzentralen eingehen. Gefordert sind in solchen Fällen nicht nur die Rettungsorganisationen. Auch immer mehr landwirtschaftliche Betriebe, Tierparks und Veterinärmediziner erkennen die Notwendigkeit, auf derartige Situationen gut vorbereitet zu sein.
Um bestmöglich für einen tierischen Rettungseinsatz gerüstet zu sein, fand kürzlich für 20 Einsatzkräfte der Freiwilligen Feuerwehr Bad Camberg-Würges sowie für einen Studenten der Tiermedizin ein Großtierrettungstraining statt. Mit der ganztägigen Ausbildung „Technische Großtierrettung – Menschen schützen, Tiere schonen, Werte erhalten“ werden die Retter auf die besonderen Gefahren und Herausforderungen an Einsatzorten mit großen Tieren vorbereitet. Ziel des Trainings ist eine sichere und tierschonende Rettung.
Bis vor einigen Jahren wurde in solchen Fällen improvisiert. Oft blieb dabei die Sicherheit der Einsatzkräfte auf der Strecke, das Wohlergehen der Tiere fast immer. Hier hat sich nun aber viel geändert. Immer mehr Menschen und Organisationen entwickeln ein Bewusstsein für die speziellen Gefahren und Herausforderungen und entscheiden sich für ein Training der technischen Großtierrettung, um in diesen anspruchsvollen Einsatzsituationen sicher und tierschonend agieren zu können. So auch die Verantwortlichen der Feuerwehr Bad Camberg-Würges.
Einen ganzen Tag nahmen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Trainings für das Thema. Der Tag begann mit einem Seminarteil, bei dem die angehenden Großtierretter wichtiges Grundlagenwissen erhielten. Neben der ganzheitlichen Analyse der Einsatzsituation ging es um die richtige Einschätzung des Verhaltens von Menschen und Tieren unter Stress. Das Tier ist ein Lebewesen, das anders wahrnimmt als Menschen, das besonders unter Stress unvorhersehbar reagieren kann. Hier muss man gewappnet sein, sich als Retter wirkungsvoll schützen und im Team effizient agieren. Ein weiteres wichtiges Thema des Seminarteils war das konsequent auf Sicherheit setzende Personenmanagement. Das bezieht sich nicht nur auf die Einsatzkräfte und Veterinärmediziner, sondern auch auf andere am Einsatzort anwesende Personen, wie die Tierbesitzer oder zufällig anwesende Personen. Denn nicht wenige Menschen setzen bei dem Versuch, einem in Not geratenen Tier zu helfen, bereitwillig und ohne Überlegung ihre eigene Gesundheit sowie Sicherheit aufs Spiel. Auch Anwendung geeigneter Einsatzstrategien sowie sichere und tierschonende Vorgehensweisen wurden thematisiert. Der Bezug zur Praxis wurde in dem ersten Seminarteil anschaulich anhand mehrerer, teils haarsträubender Einsatzvideos aus aller Welt hergestellt.
Nach gut zwei Stunden zur Vermittlung von Grundlagenwissen gingen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ins Gelände, um das Erlernte am Beispiel verschiedener Einsatzszenarien praktisch anzuwenden und zu üben. Hierfür hatte der Trainer Lutz Hauch um ein Gelände gebeten, das für die Teilnehmer echte Herausforderungen bereithält. „Ideal sind Hänge und Gräben, Wasserläufe, Morast, Unterholz oder auch dichter Baumbestand“, weiß Großtierrettungstrainer Hauch. „Es ist kaum zu glauben, in welch haarsträubende Situationen sich Tiere immer wieder bringen. Schwierigste Gelände sind im Einsatz eher die Regel als die Ausnahme. Wir führen die Übungen so authentisch wie möglich durch. Man kann die Stellung des Tieres und den Ort, wo es liegt, nicht beeinflussen. Mit vielseitigen Übungen sind die Teilnehmer auf alles vorbereitet“, so der Fahann weiter.
Dummy wiegt 200 Kilo und hat bewegliche Gelenke
Bevor es zur ersten Übung ging, legten die Teilnehmer ihre persönliche Schutzausrüstung, an, die auch im Einsatz unbedingte Pflicht ist. Dann wurde der lebensgroße Rettungsdummy des Trainers entladen. Sam ist ein professioneller Pferdedummy, wiegt circa 200 Kilogramm und hat bewegliche Gelenke. Sein großer Vorteil: Er lässt alle Übungen und auch Fehler, die beim Training natürlich gemacht werden dürfen, geduldig über sich ergehen.
Bis in den späten Nachmittag hinein simulierten die Trainingsteilnehmer mit Sam verschiedenste Notlagen, wie sie im echten Einsatz vorkommen können: Es galt, das Pferd behutsam aus misslichen Lagen wie Gräben oder verunfallten Anhängern zu befreien – eine Herausforderung, die Geschicklichkeit und Teamarbeit erforderte. Die Teilnehmer lernten unter Anleitung des Trainers und mit dem Dummypferd, wie eine sichere und tierschonende Großtierrettung ablaufen sollte. Dabei kamen auch Spezialwerkzeuge. Die Werkzeuge sind internationaler Standard und wurden für die technische Großtierrettung entwickelt. Sie sind geeignet, Tiere schonend und schmerzfrei zu befreien, ohne dass die Rettungskräfte dem Tier zu nahekommen müssen.
Alle Szenarien wurden so realistisch wie möglich nachgestellt, um die Einsatzkräfte und Veterinärmediziner auf den Ernstfall vorzubereiten. So bringen sich Retter künftig nicht in Gefahr und Tierbesitzer können sich auf professionelle Helfer verlassen.
Hinweis: Verwendung der Artikel mit freundlicher Genehmigung der Nassauischen Neuen Presse.