Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.Limburg. Bereits am Wochenende könnten die ersten Flüchtlinge in der gerade errichteten Zeltstadt in Staffel eintreffen, teilte Regierungspräsident Dr. Lars Witteck mit ...

Auch die Helfer benötigen eine Pause: Zwei Reihen dieser Art von Zelten standen gestern Nachmittag bereits auf dem Platz, der als Unterkunft für Flüchtlinge dienen soll.
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 Auch die Helfer benötigen eine Pause: Zwei Reihen dieser Art von Zelten standen gestern Nachmittag bereits auf dem Platz, der als Unterkunft für Flüchtlinge dienen soll.

Von Anken Bohnhorst-Vollmer

Die Stimmung in der gut besuchten Stadthalle ist angespannt. Immer wieder wird Regierungspräsident Dr. Lars Witteck zu Beginn seines kurzen Vortrags unterbrochen. Zu verstehen sind die Zwischenrufe wegen der Akustik des Saales nicht, aber sie klingen nicht freundlich. Witteck hat offenbar mit derartigen Reaktionen gerechnet. Er bleibt ruhig, sagt, er sei gekommen, um „die Bürger um Hilfe zu bitten in einem Problemfeld, dass das Land enorm fordert“.

Allein am vergangenen Wochenende sind in der Erstauffangeinrichtung für Flüchtlinge in Gießen 900 Flüchtlinge eingetroffen; in der Nacht von Montag auf Dienstag kamen weitere 500 Menschen. Es werde dringend eine weitere Außenstelle benötigt, in der die Betroffenen allerdings nicht vier bis sechs Wochen wie in der Gießener Hauptstelle bleiben, sondern lediglich zwei bis sieben Tage, ehe sie auf die Kommunen verteilt werden, erläutert der Regierungspräsident.

Die Zeit drängt. Erste Flüchtlinge könnten schon am kommenden Wochenende in Limburg eintreffen. Die Stadt habe ihm eine 16 000 Quadratmeter große Fläche angeboten. Es handelt sich um einen jetzt brach liegenden Park- und Lagerplatz am ehemaligen Buderus-Werk in Staffel. Der Eigentümer des Areals habe bereits einer Überlassung zugestimmt und die Fläche bis Ende Oktober vermietet, teilt Witteck mit. Auf diesem Gebiet werden derzeit Zelte aufgeschlagen und ausgestattet.

Andere Alternativen?

Tatsächlich seien auch andere Flächen in der Stadt geprüft worden, sagt Bürgermeister Martin Richard (CDU). Drei Voraussetzungen mussten erfüllt werden: Die Fläche muss mindestens „so groß sein wie zwei Sportplätze“, sie muss eben sein und über einen Wasseranschluss verfügen. Wegen dieser Bedingungen seien etwa die Lahnkampfbahn oder die Klostergärten ausgeschieden. Auch die Möglichkeit, den Marktplatz vorübergehend in eine Zeltstadt für Flüchtlinge umzuwandeln, wurde verworfen – wegen der umliegenden Wohnhäuser, erklärt Richard und erntet für diese Einlassung höhnisches Gelächter.

Ob es die in Staffel etwa nicht gebe, schreit ein Zuhörer. In dieser Notsituation habe man schnell handeln müssen, insistiert der Bürgermeister.

Wenige Tage


Regierungspräsident Witteck wird eindringlich. Die Flüchtlinge hätten „alles, was ihr Leben ausgemacht hat, hinter sich lassen müssen“ und seien nun „in einem Land, von dem sie keine Ahnung“ hätten. Sie hätten Entscheidungen treffen müssen, „die den meisten von uns hier im Saal erspart geblieben sind“. Ihre Flucht resultiere aus einer „existentiellen Not“. Dass man diese Menschen jetzt in Zelten unterbringen müsse, frustriere ihn ungemein. Aber „wir brauchen die Zelte als Überlaufbecken, um das nächste Wochenende zu überstehen“, formuliert er.

„Das sagen allen, und am Ende bleiben die Asylanten für immer“, ruft ein jüngerer Mann aufgebracht dazwischen. Witteck wiederholt sachlich, dass sich die Verweildauer in Limburg auf wenige Tage erstrecke und dass er die Hoffnung habe, die Flüchtlinge würden „anständig aufgenommen“. Man habe hinsichtlich der unabsehbaren Flüchtlingswelle eine Situation wie zu Beginn der 1990er Jahre. „Aber zum Glück haben wir noch nicht dieselbe Stimmung“, sagt er und erinnert an ausländerfeindliche Übergriffe in Solingen und Mölln vor rund 20 Jahren.

Aber, betont Witteck, er nehme die Bedenken und Sorgen der Bürger ernst, etwa die der Frau aus Staffel, die sagt, dass es nicht reiche, die Flüchtlinge zu schützen. „Wer schützt uns vor den Flüchtlingen?“ Schließlich kämen nicht nur „die Guten, sondern auch viele Verbrecher“, meint sie und sorgt mit diesem Argument bei der Mehrheit der Zuhörer für Gelächter. Die plädieren in der anschließenden Fragerunde überwiegend dafür, die Flüchtlinge erst einmal kommen zu lassen. „Das sind doch auch nur Menschen“, sagt eine Frau vom Ökumenischen Arbeitskreis in Elz, die bereits in der Flüchtlingsarbeit involviert ist. Und die 15-jährige Celine Schäfer aus Waldbrunn-Hintermeilingen berichtet davon, dass ihr Vater mehrere Flüchtlinge in der Region betreue. „Ich verstehe die Angst nicht“, sagt das Mädchen. „In jeder Kultur gibt es Leute, die nicht ganz normal sind.“

Wenn die Flüchtlinge in der Außenstelle aber nur wenige Tage bleiben, müsse man ganz neue Betreuungskonzepte entwickeln, schlägt Pfarrer Joachim Naurath vor. Langfristig angelegte Integrationsarbeit sei da nicht hilfreich. Und an Regierungspräsident Witteck gerichtet fragt er: „Wenn alles so knapp auf Kante genäht ist, welche Standards werden dann für die Flüchtlinge gelten?“ Die Antwort ist präzise: Es gebe keine festgelegten Standards, räumt Witteck ein, „weil wir diese Situation noch nicht hatten“.
Ängste und Buhrufe

Tatsächlich ist es diese Unwägbarkeit, die die Bürger antreibt, zum Beispiel zu der Hoffnung, „dass die Sache glimpflich abgeht und im Oktober vorbei ist“ oder zu der Feststellung, man habe Angst vor Krankheiten, die mitgebracht würden. Als auch dieser Teilnehmer der Diskussion lautstark ausgebuht und ausgelacht wird, meldet sich ein Mann zu Wort. Auf Sorgen und Ängste der Bürger werde bei dieser Veranstaltung so negativ reagiert, dass sich die Zweifler gar nicht zu Wort melden würden: „Das finde ich nicht gut.“ Außerdem sei das wahrscheinlich der Grund, weshalb viele Staffeler gar nicht erst in die Stadthalle gekommen seien, vermutet er.

Dass Bedenken geäußert werden müssen, auch wenn sie von der Mehrheit der Anwesenden nicht geteilt würden, findet ein anderer Redner. Staffel habe derzeit 3300 Einwohner; 650 Flüchtlinge entsprächen einem Anteil von 20 Prozent. Da dürfe man nicht den Eindruck erwecken, „Staffel wird’s schon richten“. Nein, es müsse deutlich gemacht werden, dass hier eine Gemeinschaftsaktion notwendig sei. „Staffel braucht Hilfe“, appelliert er an die Politiker.

Was für Staffel geplant sei, sei ein „Solidaritätstest für alle Bürger“. Das bestätigen Richard und Witteck. Noch einmal macht Witteck deutlich: „Ich glaube, wir können es uns leisten, den Menschen aus Syrien und Afghanistan zu helfen.“ Etwas bodenständiger hatte diesen Gedanken schon Thomas Schlechter aus Elz geäußert. Er war unmittelbar nach dem Einführungsvortrag des Regierungspräsidenten gefragt: „Wo ist der Anlaufpunkt, wo man sich melden kann, um zu helfen?“

Zeltdorf entsteht

90 Helfer waren gestern damit beschäftigt, auf dem ehemaligen Gelände von Buderus in Staffel, gehört heute dem Boschkonzern, das Zeltlager aufzubauen, das 650 Flüchtlingen ein Bett und ein Dach über dem Kopf bieten soll. Mitarbeiter des Bauhofs der Stadt waren dabei ebenso im Einsatz wie Aktive des Technischen Hilfswerks, des Malteser Hilfsdienstes, des Roten Kreuzes oder auch der Feuerwehr. Gestern Mittag standen bereits 29 Zelte, die jeweils bis zu 40 Personen Platz bieten, aber mit deutlich weniger Personen belegt werden sollen. Das fertige Zeltlager wird deutlich größer sein und auch Großzelte beinhalten, die bis zu 150 Menschen Platz bieten. Sie sollen vor allem zum Schlafen dienen. Die großen Zelte sind leichter und besser zu belüften und heizen sich nicht so stark auf wie die kleineren Zelte. Ein Team baute gestern auch ein großes Zelt auf, in dem die Mahlzeiten eingenommen werden sollen. Am Wochenende werden die ersten Flüchtlinge in dem Zeltlager erwartet. jl

Kontakt für Helfer

Vor und vor allem nach der Informationsveranstaltung in der Josef-Kohlmaier-Halle zur Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge haben die Stadtverwaltung Limburg viele Anfragen von Bürgerinnen und Bürger erreicht, die sich aktiv für die ankommenden Flüchtlinge engagieren möchten und ihre Hilfe angeboten haben. Um diese Hilfsangebote zu sammeln und gezielt an die Flüchtlinge weiterzugeben, hat die Stadtverwaltung Limburg gemeinsam mit der Limburger Ehrenamtsagentur (LEA) zwei Rufnummern eingerichtet, unter der sich Freiwillige ab sofort melden können: Telefon:  01 51 62 92 06 28 und Telefon:  01 51 62 92 06 29 (werktags). Eine Kontaktaufnahme mit den Mitarbeitern der Ehrenamtsagentur ist am Wochenende unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! möglich.

Auch mit Geldspenden kann geholfen werden: Stadtkasse Limburg, IBAN: DE 72 5001 0060 0004 8126 07, BIC: PBNK DE FFXXX, Verwendungszweck: Hilfe für Flüchtlinge

Kommentar: Anpacken und sich für die Flüchtlinge einsetzen

Natürlich ist ein Zeltdorf für Flüchtlinge alles andere als optimal. Die Behörden lassen auch keinen Zweifel daran, dass sie der Not gehorchend auf provisorische Lösungen setzten, die nicht lange Bestand haben sollen. Ein solches Lager, wie es nun in Limburg geplant ist, kann auch Ängste hervorrufen. Ängste, ob die Infrastruktur ausreicht, die Bedingungen dort den Menschen würdig sind.

Und andere Ängste? Dafür gibt es derzeit keinen Grund. Erfahrungen im Zusammenleben mit Flüchtlingen hat so gut wie niemand. Aber Angst ist ja etwas, was vor allem auf Unbekanntem aufbaut. Und wenn diese Angst dann noch genährt wird mit Stimmungsmache, dann entsteht daraus Fremdenfeindlichkeit. Auf Facebook, dem sozialen Netzwerk im Internet, gibt es schon eine Seite „Limburg sagt nein zum Erstaufnahmelager“. Dort gibt es auch schon gleich einen Hinweis auf einen Artikel in Österreich über Vorfälle in Kärnten mit Asylbewerbern. Zum Glück gibt es auf der Facebook-Seite auch gleich entsprechende Gegenreaktionen. Und die Seite wirbt mit einem Bild vom Limburger Dom, also einem Haus, das zur Verehrung eines Flüchtlings errichtet wurde.

Das Zeltdorf ist eine Notlösung. Es hilft in diesem Fall auch nicht, Kasernen ins Spiel zu bringen, die in einem anderen Bundesland liegen. So schnell lassen sich dort keine Menschen unterbringen. In Limburg werden Flüchtlinge beherbergt, die Hessen unterbringen muss. In der langfristigen Planung könnte die Freiherr-vom-Stein-Kaserne durchaus eine Möglichkeit sein, Flüchtlingen eine Bleibe zu geben.

Die Klage über die geringe Vorlaufzeit ist zu verstehen, aber was hätte eine frühere Information gebracht? Die Anlieger hätten sich früher aufgeregt oder früher ihre Solidarität bekundet, es hätte vielleicht sogar organisierten Widerstand gegeben. Aber ist es wirklich überraschend, dass Flüchtlinge nun in ein Erstaufnahmelager nach Limburg kommen? Täglich erreichen uns Bilder und Nachrichten von Menschen auf der Flucht. In den vergangenen Wochen sind nach-
einander Zeltlager in Marburg, Gießen oder Wetzlar aufgebaut worden, seit Monaten werden händeringend Immobilien gesucht, in die Flüchtlinge einziehen können.

Flüchtlinge vor der eigenen Haustüre, das ist alles andere als eine Überraschung. Ihr Ankommen bietet die Möglichkeit, vor die eigene Haustüre zu treten, die Ärmel hochzukrempeln und das Beste aus der Situation zu machen. Es gibt da schon viele positive Beispiele in der Region, wo Flüchtlinge für längere Zeit leben werden. Diese Beispiele sollten Richtschnur sein, nicht diejenigen, die Parolen verbreiten und nicht mit anpacken.

[Hier] finden Sie einen Artikel über die Arbeiten der Feuerwehren bei diesem Projekt.

[Hier] in der Bildergalerie von www.lindenholzhausen.de findet man einige Fotos vom Zeltdorf.

Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.

 


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