Beselich-Obertiefenbach. Ein Vierteljahrhundert nach der deutschen Wiedervereinigung kommen Erinnerungen an die Trennung und die Gemeinsamkeiten auch bei Feuerwehrleuten auf ...
Bild: Am 21. Juli 1985 entstand in Österreich dieses einzigartige Foto, vier Jahre vor der Wiedervereinigung: Die DDR-Feuerwehr-Nationalmannschaft der Berufsfeuerwehren (helle Uniformen) und die Sportwettkampf-Mannschaft der Feuerwehr Beselich-Obertiefenbach (dunkle Uniformen).
Von FRANZ-JOSEF SEHR
Die Freiwillige Feuerwehr Beselich-Obertiefenbach nahm im Juli 1985 als erste freiwillige Feuerwehr des Deutschen Feuerwehrverbands an den alle vier Jahre stattfindenden Internationalen Feuerwehrsportwettkämpfen des Weltfeuerwehrverbandes CTIF (Löschangriff Nass, Hakenleitersteigen, 100-Meter-Hindernislauf, 4x100-Meter-Hindernisstaffellauf) im österreichischen Vöcklabruck teil. Die einzige andere dort antretende deutsche Sportwettkampfmannschaft war die DDR-Nationalmannschaft, die aus Berufsfeuerwehrleuten bestand.
Während der Trainings- und Wettkampfzeiten kamen sich die beiden Mannschaften aufgrund der unterschiedlichen Abläufe noch nicht näher, wohl aber beim Kameradschaftsabend am 20. Juli im Festzelt vor der Abschlussfeier am Tag darauf. Die Obertiefenbacher setzten sich gezielt an den Nachbartisch ihrer Landsleute und bestellten für alle zusammen einige Runden Bier, auch in der Erkenntnis, dass die Devisen im anderen Teil Deutschlands knapp bemessen waren. Nun kam ein reger Austausch von Informationen über Herkunft, Feuerwehrdienst und „Feuerwehrlatein“, aber auch von westdeutscher Sportkleidung und ostdeutschem optimiertem Wettkampfmaterial zustande. Eine unvergessene deutsch-deutsche Begegnung in freundschaftlicher Atmosphäre fünf Jahre vor der Wiedervereinigung!
Am nächsten Tag begegneten sich die beiden frisch befreundeten Gruppen auf dem Weg zur Abschlussfeier vor dem Stadion und positionierten sich zu einem einzigartigen Foto von deutsch-deutschen Feuerwehrkameraden in ihren Uniformen.
1989: Treffen in Warschau
Durch den Status der Teilung Deutschlands gab es vier Jahre lang keine Möglichkeit, sich wiederzusehen. Als die DDR-Nationalmannschaft als einzige aus ihrem Bereich und die Feuerwehr Obertiefenbach als einzige freiwillige Feuerwehr des (noch) bundesdeutschen DFV für die IX. Feuerwehr-Olympiade des CTIF Ende Juli 1989 in der polnischen Hauptstadt Warschau nominiert wurden, kam nun wieder außerhalb von Deutschland ein Zusammentreffen auf freundschaftlicher Basis zustande. In einem streng vertraulichen Gespräch berichtete dort der DDR-Mannschaftsleiter Willi Bohlmann dem Obertiefenbacher Wehrführer Franz-Josef Sehr und seiner Frau Hedi, dass das gesamtdeutsche Foto, das in einigen westdeutschen Feuerwehrzeitschriften veröffentlicht worden war, Anlass für eine scharfe Rüge aus dem DDR-Innenministerium für ihn war. Gleichzeitig vermittelte Bohlmann seinen Eindruck über kritikfähige Zustände im System inner- und außerhalb der Feuerwehr sowie, dass sich offenbar Stasi-Leute im Betreuerstab der Mannschaft befänden. Nur sechs Wochen später kam es zur Massenflucht an der ungarisch-österreichischen Grenze, acht Wochen danach begannen die Leipziger Montagsdemonstrationen.
Zwischen dem Fall der Mauer am 9. November 1989 und der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 feierte die Obertiefenbacher Feuerwehr im August 1990 ihr 110-jähriges Bestehen. Zu diesen Feierlichkeiten kamen erstmals auch einige Kameraden aus der DDR-Nationalmannschaft zu Besuch nach Hessen. Ein Besuch, der einiges Aufsehen in dem Dorf am Westerwald erregte. Wenige Wochen danach reiste die Jugendfeuerwehr aus Beselich zu einer Jugendbildungsreise nach Berlin und besuchte dort die Berufsfeuerwehr Berlin-Marzahn, in der einige DDR-Wettkämpfer ihre Heimat haben.
Weitere Begegnungen fanden bei einem Frühjahrs-Wochenende 1993 im Trainingszentrum Heyrothsberge sowie während der X. Feuerwehr-Olympiade des CTIF in Berlin im Juli desselben Jahres statt, bei der die Obertiefenbacher in der Disziplin „Löschangriff Nass“ Weltmeister wurden.
Kontakt hält bis heute
Im weiteren Verlauf gab es Treffen von einzelnen Feuerwehrleuten und deren Familienangehörigen, da die Ostdeutschen aus vielen verschiedenen Berufsfeuerwehren kamen. Das vorerst letzte freundschaftliche Aufeinandertreffen ergab sich im Juli 2013 anlässlich der XV. Feuerwehr-Olympiade im elsässischen Mühlhausen, wo sich die alten Freunde Franz-Josef Sehr und Willi Bohlmann, der Ehrenwettkampfleiter des DFV und Ehrenmitglied des CTIF geworden ist, mit Freude begegneten.
Diese zu einer außergewöhnlichen Zeit begonnene Freundschaft zwischen deutsch-deutschen Feuerwehrleuten besteht weiterhin und wird durch die besonderen Erinnerungen getragen.
Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.
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